Stadtrat Martin Ernst (FBB) klärt den Leo-Skandal auf

06März
2017

Die Leo-Baustelle ist in den Augen vieler Bürger ein Skandal. Sie scheint sich zu einem Denkmal für die fast phänomenale Unfähigkeit der Baden-Badener Bauabteilung zu entwickeln, Bauten und deren Kosten präzise zu planen und zu kalkulieren.

Von ursprünglich geplanten 4,8 Millionen Euro Baukosten könnten es nun (so fürchten Fachleute) 10 Millionen werden. Wenn es denn reicht, seufzen Pessimisten.

Und wegen des G-20 Gipfels soll die Baustelle erst mal zugeschüttet und asphaltiert und danach wieder ausgebuddelt werden. Wir sprachen mit Stadtrat Martin Ernst von der FBB:

Frage: Herr Ernst, Sie sitzen für die Freien Bürger für Baden-Baden, für die FBB, im Gemeinderat – Sie haben dagegen gestimmt. Aber die Mehrheit aus CDU, SPD und Freien Wählern waren eben doch dafür, wenn auch auf der Basis von 4,8 Millionen Euro.

Doch dann ist alles aus dem Ruder gelaufen. Wie konnte das passieren?

Martin Ernst:

Vorneweg muss man hier nochmals festhalten, dass vor der Abstimmung zur Leo-Sanierung die SPD den klugen Antrag stellte, den Baustart auf die Zeit nach dem G20-Gipfel zu verschieben. Sie begründete dies damit, dass eine Baustelle während des G20-Gipfels immer störend sein und sicherlich auch zusätzliche Kosten verursachen wird. Diese zusätzlichen Kosten wurden aber durch den damaligen Baubürgermeister Werner Hirth und seinen Amtsleiter Rudolf Schübert vehement abgestritten.

So wurde dieser durchaus sinnvolle Antrag zur Verschiebung mit den Stimmen des bürgerlichen Lagers, also der CDU und der Freien Wähler gegen die Stimmen der FBB und SPD abgelehnt.

Der anschließend folgende Projektbeschluss zur Leo-Sanierung wurde dann mit 32 zu 6 Stimmen – 4 Gegenstimmen waren allein von der FBB – durchgewunken.

Was danach passierte ist ein Sammelsurium von Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten. Nach dem Beschluss zur Leo-Sanierung im September 2015 passierte 10 volle Monate – also bis einschließlich Juli 2016 – gar nichts.

Im Juli 2016 wurde ausgeschrieben mit der Vorgabe, bereits im September starten zu müssen. Wer mit Bauen zu tun hat, weiß, dass allein die Ausschreibung für den Leo-Umbau ein so kompliziertes Rechenwerk ist, das gut und gerne 4 Wochen in Anspruch nimmt.

Eine Firma, die nach der Ausschreibung – ohne zu wissen, ob sie den Auftrag überhaupt erhält – sofort starten kann, ist entweder arbeitslos oder erhöht ihr Angebot kräftig, weil sie ja sofort startet und somit ihre Arbeiter von anderen Baustellen abziehen muss. Genau das ist hier geschehen.

Anstatt der in der Ausschreibung genannten Summe von 4,8 Mio. gab die Firma ein Angebot von 6,7 Mio. ab. Trotzdem war die Stadtverwaltung der Meinung, weder den Bauausschuss, noch den Gemeinderat informieren zu müssen.

Die Stadt argumentiert heute, dass mit dem mehrheitlichen Projektbeschluss im September 2015 auch die erheblichen Kostensteigerungen abgesegnet sind.

Ich frage mich: Wozu wählen die Bürger unserer Stadt dann überhaupt noch einen Gemeinderat?

Frage: Sie haben wegen dieser Problematik einen Brief an die Oberbürgermeisterin geschrieben und um Antwort gebeten – was hat man Ihnen geantwortet?

Martin Ernst: Genauer gesagt haben wir 2 Briefe geschrieben, einen am 27.01. und einen am 13.02.

Beispielhaft möchte ich aus dem Brief vom 27.01. drei Fragen zitieren:

„- Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 28. September 2015 den Beschlussvorschlag zur Sanierung des Leopoldsplatzes mehrheitlich abgesegnet. Ist es richtig, dass die Ausschreibung erst volle 10 Monate nach dem Beschluss, also im Juli 2016. erfolgt ist und zwar mit der Maßgabe, dass der Baubeginn bereits im September sein sollte?

-Falls Sie, Frau Mergen, als Oberbürgermeistern nicht selbst unterzeichnet haben, seit wann wussten Sie von dieser erheblichen Kostensteigerung und den damit neuen Vertragsbedingungen?

-Wer hat den Bauauftrag aufgrund welcher rechtlichen Basis unterschrieben?“

Diese Fragen sind für unsere Oberbürgermeisterin Margret Mergen scheinbar so kompliziert, dass sie es über 2 volle Monate nicht schafft, diese einem von den Bürgern gewählten Stadtrat zu beantworten.

Frage: Was werden Sie unternehmen, um den Skandal um den Leo aufzuklären?

Martin Ernst: Die Bürger unserer Stadt und somit die Wähler informieren!

Schuld an diesem Skandal sind die bürgerlichen Parteien, insbesondere die CDU und die Freien Wähler, die im Normalfall alles absegnen und damit die eigentliche Schuld dafür tragen, dass die Stadtverwaltung dieses merkwürdige Geschäftsgebaren an den Tag legt.

Frage: Wie es ausschaut, sind in den bis jetzt bekannten Leo-Umbau-Kosten rund ein Drittel Planungskosten enthalten –

Ist das normal?

Martin Ernst: Normal sind Planungskosten um 15 %, bei sehr schwierigen Bauvorhaben gibt es auch Aufschläge.

Nach 3 Jahren Stadtrat ist meine Erkenntnis, dass Leute, die das Geld nicht mit dem eigenen Schweiß verdienen, dies auch sehr leichtfertig ausgeben.

Der Bürger zahlt die Zeche nachher mit permanent steigenden Gebühren, Abgaben und Steuern.

Man muss dazu wissen, dass in Baden-Württemberg der Stadtrat Teil der Verwaltung ist, ein Misstrauensantrag gegen die Oberbürgermeisterin ist damit nicht möglich.

Die Bürger müssen die Situation bis zu den nächsten Wahlen aussitzen und können dann mit ihrer Stimme für neue Mehrheiten sorgen.

Foto: Ben Becher