„Es hat den Anschein, dass der 1. Bürgermeister Uhlig den Ausschuss über den Tisch ziehen wollte“

20April
2021

Am Donnerstag wurde im Bau-Ausschuss mehrheitlich für eine begrenzte Durchlässigkeit der Fieser-Brücke und Kreuzstraße gestimmt. Die FBB hielt dagegen. Nun muss der Gemeinderat am 26. April noch darüber abstimmen. Wolfgang Niedermeyer, Stadtrat der FBB, berichtet im Interview über die Sitzung – und die Kraft des Nachfragens.

Herr Niedermeyer, was sagen Sie zu dieser Entscheidung?

Wolfgang Niedermeyer: „Sie wird nicht ewig halten!“

Wie hitzig wurde am Donnerstag im Ausschuss darüber diskutiert?

Wolfgang Niedermeyer: „Da gab es zum Beispiel vom Kollegen Schurr, CDU, eine sachliche, realistische und abgewogene Argumentation für eine an die Pollerzeiten gekoppelte Öffnung. Gleichfalls vom Kollegen Jülg, FW, ein abgewogenes Bekenntnis für die Beibehaltung des bisherigen Zustands. Und dann gab es ein impulsives, ausschweifendes Statement vom Kollegen Bloedt-Werner, CDU, für die Schließung, als abweichende Meinung zur Fraktion.
Die übliche ,Das-nicht-sein-kann, was-nicht-sein-darf’-Weltblick-Argumentation der Grünen, verbunden mit anonym gehaltenen Aussagen von angeblich dort ansässigen Geschäftsleuten und Bürgern: alle pro Schließung! Hinter solch anonymen Aussagen hat sich auch der 1. Bürgermeister Alexander Uhlig verschanzt.“

Was ist Ihre größte Kritik an der Haltung des 1. Bürgermeisters?

Wolfgang Niedermeyer: „Wesentliche Punkte der Vorlage sind Utopien:

1. Es gibt eine Vision ,Untere Sophienstraße’ – die Ausführung wird Corona-bedingt zurückgestellt.

2. Es gibt eine Vision ‚Brückenplatz/Goetheplatz’ – diese Ausführung ist finanziell überhaupt nicht gesichert.

3. Dann gibt es eine Vision ‚Kreuzstraße’ – auch hier ist die Ausführung finanziell nicht gesichert.

4. Es gibt weiterhin eine Option ,Verkehrsberuhigende Maßnahmen Friedrichstraße’ – auch hier gilt: Die Finanzierung und Ausführung sind nicht gesichert.

5. Und es gibt eine Option ,Verkehrslenkung Beutig/Friesenberg zur Fremersbergerstraße’ – leider ist die Planung, Finanzierung und Ausführung auch in diesem Fall nicht gesichert.

Das heißt: All die angepriesenen paradiesischen Zustände erweisen sich mittelfristig als potemkinsche Dörfer. Das drittklassige Ambiente bleibt für die nächsten Jahre bestimmend. Flanieren auf einem abgenutzten Flickenteppich ist angesagt.“

Was bemängeln Sie noch?

Wolfgang Niedermeyer: „Es hat den Anschein, dass der 1. Bürgermeister Uhlig den Ausschuss über den Tisch ziehen wollte. Hat er doch vernebelnd gesagt, dass gemäß Verwaltungsvorschlag die Poller morgens offen blieben. Ich habe darauf hingewiesen, dass dies nicht so in seiner Beschlussvorlage formuliert sei. Auf meine erneute Frage, ist die Brücke nun offen – ja oder nein –, hat er dann die Sitzung unterbrochen. Anschließend hat er uns unterrichtet, dass die Vorlage entsprechend geändert würde: Die Brückenöffnungszeit sei vormittags parallel zu der Kurhauspoller-Öffnungszeit. Auf dieser Grundlage wurde die Verwaltungsvorlage dann zur Abstimmung gestellt.“

Was bedeutet es nun für die Bürger, den Handel, Gastronomie, Hoteliers, wenn man ab 11 Uhr nicht mehr mit dem Auto durchkommt?

Wolfgang Niedermeyer: „Zunächst bedeutet sie für die älteren Mitbürger*innen vom Beutig/Friesenberg, die zum Arzt in die Lichtentaler Straße oder zum Leo müssen, dass sie wegen des Umwegs doppelt so viel für ein Taxi bezahlen müssen. Es bedeutet, dass vorm Restaurant Namaskaar einige Tisch abends relativ ruhig frequentiert werden können, hingegen das Außenrestaurant des Maison Messmer und die Gästezimmer zur Schauseite den verstärkten Verkehr hinnehmen müssen. In Corona-Zeiten sind das 2.400 statt 1.600 Fahrzeuge, später mehr: geschätzt 3.400. Vor dem Brenners Parkhotel in der Schillerstraße gibt es bezeichnenderweise eine verkehrsberuhigte Zone, durchgepflastert, also einen Shared-Space-Bereich.
Die Entscheidung bedeutet weiterhin, dass die vielen Makler in der Kreuzstraße für ihre Kundschaft rote Teppiche zum Kauf von Luxuswohnungen ausbreiten können, während sich begegnende Fußgänger in der Friedrichstraße wegen des schmalen, nur einseitigen Gehwegs auf die frequentierte Straße ausweichen müssen.“

Die FBB hat immer wieder betont, dass die Innenstadt sich zum Begegnungsraum für alle Verkehrsteilnehmer entwickeln sollte. Das sogenannte Shared-Space-Konzept hat es sogar in die Nachbarstadt Bühl geschafft. Wie weit sind wir in Baden-Baden damit? Oder werden neuen Ideen gar nicht erst zugelassen?

Wolfgang Niedermeyer: „Auf unsere Anregung wurde ein Gutachten verfasst. Ein Fazit gibt es darin: ,Das Modell Shared Space erscheint für diese unterschiedlichen Ausrichtungen von Verkehrsflächen nicht generell geeignet und sinnvoll zu sein. Man will nicht überall alle Verkehrsarten ermöglichen. Nicht überall gibt es die notwendige Fußgängerfrequenz, um den Autofahrer ,zu entschleunigen’. Man kann sich ,Shared Space’ aber sicherlich für Teilbereiche vorstellen – etwa in der Kreuzstraße, teilweise am Augusta-Platz, Ludwig-Wilhelm-Platz. Wir bleiben dran – versprochen!“

Auch Markus Fricke, Stadtrat der FBB, hat eine ganz klare Meinung zum Thema Fieser-Brücke: „Kreuzstraße und Fieser-Brücke waren davon geprägt, dass die üblichen Verdächtigen unbehelligt vom Gemeindevollzugsdienst den ganzen Tag parken konnten und höchstens zehn Prozent der Autofahrer bereit waren, sich im Schritttempo zu bewegen. Beides lässt sich effektiv, kostengünstig, einfach und schnell regeln. Doch deswegen die Stadt zu teilen, nur um den deshalb nicht weniger werdenden Verkehr zu verlagern und Gewerbetreibenden zusätzlich ein Paket aufzubuckeln, ist meines Erachtens schlicht und ergreifend Unsinn.“

Foto: Ben Becher