Die Stadt – eine fantasielose Großbaustelle

14Juli
2020

Und kein Durchkommen mehr: Baden-Baden erscheint dieser Tage wie ein Knäuel undurchdringbarer Straßen. Die Geduld der Bürger und Besucher wird auf eine harte Probe gestellt. Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf.

Neulich tönte es vom Haus der Nachbarn hinüber: „In der Stadt ist ja kein Durchkommen mehr. Überall Baustellen“, klagte eine Frauenstimme. Die Haushaltshilfe hatte ihrem Verdruss Luft gemacht. Ich kann sie so gut verstehen! Nicht nur für uns Baden-Badener hat die Innenstadt gerade etwas Unwirtliches. Doch wie muss sie erst auf die Gäste in unserer Stadt wirken, die unsere Cafés, Restaurants und Hotels so nötig brauchen?

Großbaustelle Fieserbrücke

Die Fieserbrücke – nicht befahrbar. Auch wenn die Stadtverwaltung nicht aufhört zu betonen, dass die Arbeiten „flott vorankommen“: Es nervt! Ich mache immer wieder den Fehler, die Brücke mit dem Auto anzusteuern, um in der Kurhausgarage zu parken. Und dann fällt es mir wieder ein, dass dort kein Durchkommen ist. Okay, ich kann umdrehen, doch die Bewohner der Friedrichstraße werden sich auch bedanken: Sie bekommen seit Beginn der Baustelle deutlich mehr Autoverkehr zu spüren.

Stichwort Parkgarage

Auch die Augusta-Parkgarage steuerte man in den vergangenen Wochen vergeblich an. Auch hier: Bauarbeiten. Nichts mit Parken, außer für Dauergäste! Nun haben wir Baden-Badener ja das Glück, die Stadt zu kennen und vielleicht irgendwo noch eine Lücke zu finden. Aber was macht ein Tourist? Er verirrt sich und strandet vor Pollern. Im besten Fall findet er einen Parkplatz – im schlechtesten Fall verlässt er die Stadt gleich wieder. Und sagt sich: so bald nicht mehr hierher!

Aufgerissene Straßen

Tiefe Löcher klaffen auch in der Du-Russel-Straße. Erst im Herbst sollen die Bauarbeiten dort abgeschlossen sein. Wer sich beim ansässigen Italiener seine Pizza abholen möchte, der sollte also am besten festes Schuhwerk anziehen. Von Pumps oder luftigen Sandalen sei hier dringend abgeraten!

Umleitungen allerorts

Jaja, wir Baden-Badener sind die Meister im Baustellen-Umfahren: Nicht genug, dass wir monatelang den Bertholdplatz umfahren mussten und es bis vor kurzem Verkehrs-Chaos rund um den Tunnel gab. Und man in der Lichtentaler Straße Poller vergrub. (Ganz nebenbei: Dass in der Rettichstraße jetzt wieder Parkplätze wegfielen, versteht auch kein Mensch.) Bauarbeiten auch in der Hahnhofstraße, im Ooswinkel, in der Steinbacher Yburgstraße, in der Karlsruher Straße in Haueneberstein und auch dort, wo ich es gerade nicht weiß: Auch hier zählt man auf das Verständnis der Bürger. Dem man eine Eselsgeduld zumutet. Während die Stadt nicht aufhört zu betonen, wie schnell sie doch arbeite.

Stillstand beim Europ

Der Gipfel des Trauerspiels ist freilich der Stillstand bei der Europ-Baustelle. Da dem Investor bei der Sanierung des Europäischen Hofes das Geld ausging, geht hier schon seit langem gar nichts mehr. Und wer im „Leo’s“ oder „Einhorn“ seinen Kaffee trinkt oder an der Trinkhalle spazieren geht, starrt statt auf schöne Bauten auf verhüllte und unfertige Fassaden.

Ein Kleid für die unfertige Fassade – das wär’s!

Und die Stadt? Sitzt das Thema aus. Ein Investor ist immer noch nicht gefunden. Dabei gäbe es eine hübsche Zwischenlösung, um den Baden-Badenern samt Gästen den Anblick dieser Dauerbaustelle angenehmer zu gestalten. Aus der Not eine Tugend machen, das geht, selbst wenn man nicht der Eigentümer dieses Schlamassels ist: Wir erinnern uns an Berlin, ans Humboldt Forum, das Stadtschloss, das Ende 2020 eröffnet werden soll und seit Jahren Großbaustelle ist. Ein schickes „Kleid“ schmückte lange Zeit die verhüllten Mauern: Darauf zu sehen war, wie die fertige Fassade aussehen würde. Einfach großartig! Das schürte die Neugier und nährte die Geduld. Ein probates Mittel für das, was man Vorfreude nennt.