Die Bebauung der Moltkestraße sorgt weiterhin für Unmut

03Juni
2022

Das Bauprojekt auf dem ehemaligen SWR-Gelände, wo bis vor kurzem noch das „Haus der Technik“ stand, findet keine Zustimmung beim Gestaltungsbeirat. FOKUS Baden-Baden befragte Wolfgang Niedermeyer, Stadtrat der FBB und Architekt im Unruhestand, zum Thema.

Ein neuer Vorschlag in fast jeder Sitzung – die Planung der vier luxuriösen Neubauten an der Moltkestraße nimmt kein Ende. Obwohl in der Vergangenheit alles augenscheinlich in trockenen Tüchern schien, kommen ständig weitere Veränderungsvorschläge ins Spiel, die der Einigung von Stadtverwaltung und Investoren bedürfen. Doch davon ist man weit entfernt: Der Gestaltungsbeirat wies erneut auf Mängel in der neuen Planung hin.

Statt vier nun fünf Geschosse

Der Gestaltungsbeirat der Stadt Baden-Baden ist eine beratende Expertenkommission, die dafür eintritt, „das Stadtbild gestalterisch zu verbessern, die architektonische und städtebauliche Qualität auf hohem Niveau zu sichern und fortzuschreiben sowie Fehlentwicklungen in Architektur und Städtebau zu vermeiden.“ Er besteht aus fünf Ingenieuren und Stadtplanern und tagt fünf Mal jährlich öffentlich im Rathaus. Größter Kritikpunkt beim Projekt Moltkestraße aktuell: Die neue Planung sieht mittlerweile vor, dass die Betonwürfel nun fünf-, statt wie vorher vierstöckig werden sollen.

Ständige Eingriffe in eine ursprünglich vernünftige Planung

„Das Investorenprojekt Moltkestraße hatte einst in der Beratung einen hohen Reifegrad bekommen. Dies war im Vorhaben- und Erschließungsplan zu erkennen und der Beschluss durch den Gemeinrat war dann ohne weitere Diskussionen erfolgt“, erinnert sich Wolfgang Niedermeyer. Doch dann wurde immer weiter an den Plänen herumgedoktert. Und das löst nachhaltig Kritik aus – hat es doch den Anschein, dass auch in diesem Falle der Profit ernster genommen wird als eine harmonische Einbindung der Neubauten in die Umgebung.

Die Pläne müssen grundlegend geändert werden

„Der Gestaltungsbeirat fordert eine grundlegende Überarbeitung der vorgelegten Änderungsplanung und beruft sich auf die Vorzüge der beschlossenen Planung. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Deshalb bemängeln wir, dass der Vorhabenträger mit seiner Planung bewusst und gezielt gegen die Grundlagen des bestehenden und von ihm übernommenen Vertrages verstoßen will“, betont Wolfgang Niedermeyer. „Damit werden grundsätzliche Belange des Bebauungsplans und des Vorhaben- und Erschließungsplans berührt, die erkennbar in den Kompetenz- und Beschlussbereich des Gemeinderats fallen.“

Kritik an vielen Punkten

Niedermeyer verweist auf die „unmissverständlichen Ausführungen des Gestaltungsbeirates“, die erkennen lassen, dass aus dem Änderungsentwurf so nichts werden kann. Darin heißt es: „Die eingeschnittenen Erschließungshöfe und Lichtschächte für die Eingänge auf der Souterrainebene sind keine angemessene Lösung im Hinblick auf die Gestaltung des Landschaftsraums und wenig qualitätsvoll für das Entrée eines Wohngebäudes. Das Plateau für den Besucherparkplatz an der Südspitze des Planungsgebiets ist … die falsche Antwort. Auf die hohe Zahl der Zufahrten für Parkplatz, Tiefgarage und Vorfahrt kann ohne Einschränkungen für die Funktionalität verzichtet werden.

Starke Veränderung des einstigen Konzepts

Die geometrische Setzung der vier Gebäude stellt aus Sicht des Gestaltungsbeirats eine große und nachteilige Veränderung zum Architekturkonzept Jasper Architekt dar ... Die linear ausgebildeten Staffelgeschosse der vier gleichen Gebäude erzeugen zudem das Bild der Reihung. Die plastische Gestaltung der Baukörper tritt aus der Landschaft heraus und unterstützt noch weiter den Eindruck der Reihung und Wiederholung. Das Haus 1 stellt sich dabei unmittelbar mit seiner hohen Gebäudekante an den Lenauweg ... Diese Drehung von Haus 1 aus den Vorgaben des Bebauungsplans ist nicht nachvollziehbar. Die Erschließung von Haus 1 sollte zudem nicht von dem Lenauweg aus erfolgen, sondern Teil der Erschließung des Gesamtensemble sein und damit die Gemeinschaft und Identität der vier Neubauten stärken. Die Neubauten nehmen die Vorgaben zur Lage des Erdgeschossniveaus auf, doch durch die Erschließung über das Souterrain wird eine andere Geschossigkeit und Höhenentwicklung sichtbar. Damit treten größtenteils bis zu fünf Geschosse (anstelle der vormals viergeschossigen Baukörper) in Erscheinung. Eine Überschreitung der vorgegebenen Baufenster wird nicht vom Gestaltungsbeirat unterstützt.“

Wird hier wieder nur für Luxus-Portemonnaies gebaut?

Wolfgang Niedermeyer: „Mit den Vereinfachungen und dem Mehr an Geschossfläche versucht der neue Investor offensichtlich sein Ergebnis zu verbessern. Es kann davon ausgegangen werden, dass hier hochpreisige Wohnflächen dadurch noch profitabler werden sollen. Dieses Vereinfachen war auch gerade Gegenstand der kritischen Nachbehandlung der ,Stadtvillen‘ Kapuzinerstraße durch den Gestaltungsbeirat.“

Foto: FBB-Archiv | Ben Becher