„Das Ministerium hat hier eine Verschwendung von Steuergeldern verhindert“

08März
2022

Die geplante Fahrradbrücke, die Radfahrern das Überqueren des Verfassungsplatzes erleichtern sollte, wird nicht gebaut: Der Bund bewilligt die dafür notwendigen Fördergelder nicht. Mathias Welle, Stadtbaumeister in Schwetzingen, kann die Entscheidung nachvollziehen.

Der Verfassungsplatz ist ein Ameisenhaufen. Jeden Tag wuseln tausende Autos kreuz und quer auf dem knotigen Spurengewirr herum, wollen von der Autobahn durch den Tunnel stadteinwärts, auf der B500 aus der Stadt hinaus, in Richtung Festspielhaus oder ganz woanders hin; der Zopf aus sich ineinander verschlingenden Fahrspuren verwirrt so manche, die zum ersten Mal in der Stadt sind. Klar ist: Ein Radfahrer-Idyll ist dieser Platz nicht. Wer etwa durch die grüne Einfahrt von der Weststadt kommt und zur anderen Seite übersetzen will, muss mit vielen Stopps an und gefährlichen Überquerungen von Ampelübergängen rechnen.

Brücke nicht zielführend

Der Lösungsvorschlag der amtierenden OB Mergen war, eine Brücke über den Verfassungsplatz zu bauen, mithilfe derer Radfahrende einfach über den Verkehr hinwegradeln könnten. Die hierfür notwendigen Förderungen vom Bund wurden nun nicht bewilligt. Begründet wurde dies damit, dass das eigentliche Ziel, das Reduzieren von Verkehrsbelastung in der Stadt, so nicht in Angriff genommen würde. Das Problem würde lediglich kostspielig umgangen, am tosenden Verkehrschaos am Verfassungsplatz würde nichts behoben. Manche Stimmen warfen der OB außerdem vor, sich mit der Brücke ein Denkmal setzen und im Wahlkampf punkten zu wollen. Die „Goldgräberstimmung“, hervorgerufen von der Aussicht auf Millionengelder, habe im Rathaus verblendet.

Vielfältige Hilfsmaßnahmen für Fahrradverkehr

Wenn die Radfahrer auch keine Brücke bekommen, so wird ihnen doch mit weniger invasiven Eingriffen geholfen werden, so Baubürgermeister Alexander Uhlig. Die Ampelschaltung wird angepasst werden, um dem kreuzenden Fahrradverkehr entgegenzukommen. Außerdem hieß es, man werde „Lösungen wie die Umwandlung von Fahrspuren, Vergrößerung von Aufstellflächen, Veränderung der Lichtsignalanlagen-Schaltungen zugunsten des Rad- und Fußverkehrs prüfen.“ Die Brücke war jedoch nicht der einzige Förderantrag, den die Stadt gestellt hat: Der Antrag „Rad-Allee vom Bahnhof Oos bis zur Geroldsauer Mühle“ läuft noch. Mit ihm könnte Baden-Baden von West nach Ost bequem und sicher mit dem Fahrrad durchquert werden.

Schwetzingen macht es vor

Für den Klimaschutz Menschen motivieren, aufs Rad umzusteigen, in dem man das Fahrradfahren attraktiver und komfortabler macht: Ein Plan, den viele deutsche Städte haben. Schwetzingen ist hier jetzt ein Magnum Opus gelungen. Die Stadt hatte ebenfalls die Idee für eine Brücke, unter Stadtbaumeister Mathias Welle, FBB, gedieh dieses Projekt allerdings deutlich besser als unter OB Mergen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bewilligte 9,3 Millionen Euro, für eine innovative Fahrrad- und Fußgängerbrücke, die das östliche Schwetzingen mit dem Stadtzentrum und dem Hauptbahnhof verbindet. Das ist projektbezogen die höchstmögliche Förderquote und bundesweit sogar die zweithöchste Förderung bei rund 150 eingereichten Anträgen. Die Gesamtkosten der Brücke belaufen sich auf rund 11,6 Millionen Euro.

Der Inhalt des Antrags ist entscheidend

Mathias Welle: „Die Vorbereitung und die Inhalte eines solchen Antrages kosten viel Manpower und natürlich auch etwas Hirnschmalz im Rathaus. Ich habe das Brückenprojekt in Schwetzingen 18 Monate lang persönlich planerisch, innovativ und mobilitätstechnisch intensiv entwickelt, gesteuert, koordiniert und geleitet. Mein Team und ich haben auch den Antrag mit mehreren hundert Seiten samt Anlagen und mit Unterschrift des Oberbürgermeisters an das Ministerium geschickt. Entscheidend für die Förderung war nicht der Antrag an sich, sondern natürlich sein Inhalt. Stichworte wie Nachhaltigkeit – Modellhaftigkeit – Mobilitäts-innovativ – Emissions-reduktiv – zukunftsweisend – Begegnungsflächen – Rückgabe von Stadt und öffentlichem Raum an den Menschen, denn er ist das Maß der Dinge – seien hier genannt.“

Der Baden-Badener Antrag zeigte Schwächen

Der Stadtbaumeister fährt fort: „Dieser Inhalt scheint in Baden-Baden nicht überzeugt zu haben. Ihm lag wohl u.a. ein mangelhaftes Mobilitätskonzept zugrunde. Niemand scheint die Fördervoraussetzungen geprüft und entsprechend gehandelt zu haben.“ Welle kann die Ablehnung der Förderung nachvollziehen: „Das Resultat wäre eine städtebauliche Verschandelung des Stadteinganges gewesen mit falschen Mobilitätslenkungen, wenn weiterhin die Trennung der Verkehre wie vor 50 Jahren erfolgt wäre. Genau das hätten auch OB Mergen und Baubürgermeister Uhlig erkennen müssen. So gesehen, hat das Ministerium hier eine Verschwendung von Steuergeldern verhindert.“

Fortschrittlich und klimaschonend

Die Brücke in Schwetzingen erlaubt es nicht nur, bequem und vor allem sicher zu pendeln, sie ist auch als Begegnungsort mit Aussichts- und Verweilflächen angedacht und wird außerdem ästhetisch sehr ansprechend sein. Darüber hinaus wird sie mit modernster Technik, wie „Mobility Hubs“ (Stationen fürs Ausleihen von Fahrrädern und zum Laden von E-Bikes) und „Digital Antifreeze“, einem solaren Beheizungssystem für den Winter, sowie inklusionsgerechten Glasaufzügen, ausgestattet sein. Ein fortschrittliches Verkehrskonzept – natürlich eingebunden in städtisches Gesamtkonzept – wie dieses, zielorientiert und innovativ, sucht man in Baden-Baden leider vergeblich. Schwetzingen könnte uns jedoch ein Beispiel sein.

Fotos: FBB-Archiv