Wie man Ausschreibungen unterläuft

07September
2017

Um mit öffentlichen Mitteln, wie hier beispielsweise beim Leo mit unseren Steuergeldern, öffentliche Projekte (Bauvorhaben) realisieren zu können bedarf es einiger, vom Gesetzgeber strikt vorgeschriebener Verfahrens- bzw. Arbeitsschritte.

Unglücklicherweise werden diese aber im Umfeld fast jeder Stadt auf dieser Welt regelmäßig ignoriert, bewusst manipuliert und missbraucht. Zum Vergleich zwischen legalen und illegalen Verfahrensmethoden wollen wir hier einmal getrennt nach den jeweils am Verfahren Beteiligten und den jeweils getrennt möglichen Varianten aufzeigen, wie heutzutage einzelne Verfahrensschritte unterwandert werden können… teilweise sehr zu unserem Nachteil!

SCHRITT 1: PLANUNGSIDEE DURCH BAUHERRN BZW. STAAT/GUTACHTER
a) Legale Vorgehensweise: 
Um seitens des Staats die Planungsidee eines öffentlichen Bauvorhabens zu formulieren und anschließend in die Tat umzusetzen bedarf es zunächst verschiedener Analysen. Hierzu zählt zuallererst die Bedarfs-, Kosten/Nutzenanalyse, diverse Verkehrs-, Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeitsstudien für die unmittelbar betroffene Bevölkerung, Abstimmung mit den baurechtlichen Vorgaben des existierenden Bebauungsplans etc.
b) illegale Methoden: Auswahl bestimmter Gutachter unter Ausschluss des Wettbewerbs. Meist haben diese eine bestimmte Lobby im Rathaus und sind als Erste über die Planungen der Stadt informiert. Dies verschafft einen ungebührlichen Wissensvorsprung. In extremen Fällen kann es hier auch zu Vorteilsnahme bzw. Bestechung kommen. D.h. Honorare werden überzogen vereinbart, indem man die kalkulierte Kostenschätzung absichtlich manipuliert. Die Differenz erhält der Auftragsbeschaffer in Form einer verdeckten Provision. Wohlgemerkt… aus unseren Steuergeldern!

SCHRITT 2: GENEHMIGUNG DURCH GEMEINDERAT
a) legaler Verfahrensweg: 
Liegen Voraussetzungen schlussendlich vor, so müssen sie von den jeweiligen Instanzen genehmigt werden. Diese sind auf unterster Ebene meistens die betreffenden von der Bevölkerung gewählten Vertreter ihrer Interessen und Bedürfnisse. In unserem Falle sind dies die in Baden-Baden gewählten Stadträte.
b) illegale Methoden: Gelegentlich sind auch bestimmte Personen des Gemeinderats bzw. der Entscheidungsgremien massiver Beeinflussung durch illegale Bestechungsmanöver ausgesetzt und damit durch die am Projektprofit Beteiligten manipulierbar. Dies kann durch direkte/indirekte Bestechung erfolgen oder bspw. Vorteilsnahme bei Reisen, Güterbeschaffung etc. Die Palette der Möglichkeiten ist hier analog zur menschlichen Kreativität nahezu unbegrenzt.

SCHRITT 3: ENTWURFSPLANUNG + AUFTRAG AN ARCHITEKTEN, LANDSCHAFTSPLANER UND INGENIEURE
a) legaler Verfahrensweg: 
Handelt es sich bei dem geplanten Projekt um ein allgemein wichtiges, öffentlich sensibel zu behandelndes bzw. architektonisch und städtebaulich anspruchsvolles Bauvorhaben, so ist in diesem Falle die Planung hierzu öffentlich in Form eines Wettbewerbes auszuloben. D.h. Architekten bzw. Ingenieure bestimmter, für die Planungsaufgabe qualifizierter Büros werden zu einem Ideen- bzw. Realisierungswettbewerb eingeladen, indem sie die gestellte Planungsaufgabe möglichst optimal lösen und unter Wahrung der Anonymität präsentieren. Dies geschieht in Baden-Baden leider viel zu selten und müsste angesichts der erhofften Ernennung zu einer Weltkulturerbe-Stätte seitens der Stadtverwaltung dringend öfter forciert werden.
Der Sieger des Wettbewerbs wird durch eine unabhängige Jury, sogenannte Fach- und Sachpreisrichter bestimmt. In der Regel nimmt der Gemeinderat diese von der Jury oder einem Gestaltungsbeirat gemachten Empfehlungen dann auch an und genehmigt sie. In Baden-Baden unglücklicherweise auch manchmal gegen den Willen der Bevölkerung, wie im Falle der Parkbebauung des Neuen Schlosses vor einigen Jahren (wir haben darüber bereits mehrfach berichtet).
b) illegale Methoden: In manchen Städten gibt es sogenannte bevorzugte (präferierte) Architekten bzw. Wettbewerbsteilnehmer. Abgesehen davon, dass das internationale Wettbewerbsrecht ohnehin schon sehr selektiv geworden ist, werden in manchen Gemeinden die Wettbewerbshürden durch zusätzliche, meist unnötig geforderte, weitere Qualifikations- bzw. Referenzmerkmale absichtlich noch höher gelegt, sodass vielen der Zugang zu diesen Wettbewerben verwehrt ist und bleibt. Hat ein Architekt bspw. eine Planungsidee (siehe Punkt 1a) für die Stadt, so sichert diese dem Ideengeber und Architekten einen Auftrag damit zu, indem sie scheinbar einen Wettbewerb durch Mehrfachbeauftragung wünscht, der dann letztendlich zum Nachteil der anderen eingeladenen Büros des Öfteren dann doch einzig und allein zugunsten des Urhebers entschieden wird. Der Vorteil für die Stadt ist klar. Das Honorar für den Entwurf müssen sich die Mehrfachbeauftragten teilen, das Resthonorar für die weiteren Leistungsphasen erhält der ursprüngliche Architekt. Die Stadt zahlt also nur ein Architektenhonorar.

SCHRITT 4: REALISIERUNG DURCH PLANER, AUFTRAGGEBER UND AUFTRAGNEHMER
a) legaler Verfahrensweg: 
Der im ordentlichen Wettbewerbsverfahren ausgewählte Architekt beginnt nach der durch die Baubehörde abgesegneten Genehmigungsplanung mit der sogenannten Ausführungsplanung. Diese enthält die weiteren einzelnen Leistungsphasen (LPH):
LPH 5 Werkplanung: Hier werden alle zur Realisierung des Vorhabens erforderlichen Planunterlagen nach Genehmigung durch die Bauherrschaft und Freigabe des Architekten zur Aushändigung an die jeweils am Bau Beteiligten gefertigt.
LPH 6 Vorbereitung der Vergabe: Danach erfolgt eine möglichst genaue Ermittlung aller Massen und die Aufstellung eines Leistungsverzeichnisses, indem alle für die Bauausführung erforderlichen Arbeiten, in Einzelpositionen gegliedert, enthalten sind, sodass der Bieter dem Auftraggeber ein möglichst präzises und faires Angebot unterbreiten kann.
Diese Leistungsphase, wie auch die LPH 7 (Mitwirkung bei der Vergabe) wird bei öffentlichen Vorhaben ab einer bestimmten Größenordnung durch den Bauherrn selbst erbracht und fällt meistens den jeweiligen Hochbauämtern oder unteren Baubehörden zu. Ob diese Arbeit dort besser oder genauso gut wie in einem privaten Architekturbüro gemacht wird ist oftmals sehr fraglich und es gibt allzu viele Beispiele ihres kläglichen Versagens. Elbphilharmonie, Berliner Flughafen, Stuttgart 21 u.v.a. sind uns allen hinsichtlich ihrer Kostentransparenz, Vertragsgestaltung und Termintreue bestens bekannt.
b) illegale Methoden: Nun zu den unzulässigen, gesetzwidrigen Verfahren, die leider viel zu oft Realität sind, und die leider jeder am Bau Beteiligte bzw. Unternehmer erfahren und kennen lernen musste.
Der durch Manipulation beauftragte Architekt „schuldet“ der Stadt jetzt auch etwas. Dies ist meistens die Rückendeckung, wenn es um die Kostentransparenz geht. Soll heißen: solange das Bauvorhaben vom Gemeinderat kostenmäßig noch nicht abgesegnet ist, bleiben die Kostenschätzungen des Architekten (zu) moderat. Besonders dann, wenn es um die sogenannte Kostenschwelle für EU-weite Ausschreibungen geht. Die Verwaltung will ja die einheimische Bauindustrie, mit der der eine oder andere privat ganz gut befreundet ist, auch ein wenig schützen. Das sichert zwar Arbeitsplätze und meistens ist der „Workflow“ besser, weil man sich ja schon lange kennt, aber nichtsdestotrotz ist es gesetzeswidrig… und schon längst kein Kavaliersdelikt mehr.
Nach Baubeginn dürfen dann die Kosten gerne explodieren und wir dürfen uns auch richtig wundern, wenn der/die Hauptverantwortliche sich richtig wundert, nachdem er/sie die Kostensteigerung durch die Presse erfahren hat.
Aber so wäscht die eine Hand die andere.
Werden die Leistungsverzeichnisse dann auch noch von der Behörde selbst erstellt, ist deren Manipulation Tür und Tor geöffnet. Einfacher geht’s nicht mehr. Hier ist ein häufig angewandter Trick der, indem man in den Leistungsverzeichnissen bestimmte Positionen als Alternativ- oder Einheitspreispositionen ausweist, von denen man aber sehr gut weiß, dass diese zur Ausführung kommen. Merkmal dieser Positionen ist, dass diese nicht in die Summe des Angebots einfließen (sie sind ja als Eventualpositionen bezeichnet und werden deshalb in der Endsumme nicht mitgerechnet) sondern nur meist mit der Einheit 1 Stück (QM, CBM, laufender Meter etc.) aufgeführt. Ist nun der Bieter über diese Interna durch einen illegalen Informanten/Insider informiert, setzt er einen wesentlich höheren Einzelpreis in die entsprechenden Zeilen der jeweiligen Eventualpositionen, in der Kenntnis, dass hier nicht mit 1 (einer einsamen Einheit), sondern beispielsweise einigen Tausend Einheiten zu rechnen ist. Alle anderen Einzelpreise kalkuliert er mit einem gewissen Abschlag, sodass sich die Angebotssumme scheinbar reduziert, ja im Endeffekt zum Submissionszeitpunkt als günstigstes Angebot präsentiert. Dies ist die Auftragsgrundvoraussetzung, neben bestandener Eignungsprüfung, die sich dann notfalls auch noch etwas manipulieren lässt.
Die andere illegale Variante ist das Kartell durch Preisabsprache zwischen allen Bietern eines Gewerks. Hierzu trifft man sich um die Preisgestaltung gemeinsam zu besprechen. Ziel hier ist es, in jedem Fall den, der den Auftrag erhalten soll/möchte, nicht zu unterbieten. Als Gegenleistung zahlt der ‚Geschützte‘ eine Abstandssumme aus Teilen der Differenz zu den ursprünglich realeren Angeboten. Unternehmer die mit dieser Praxis vertraut sind, sagen, dass dies Arbeitsplätze und Auftragshomogenität sichere. Das wäre ja schön und gut, wenn dabei nicht unsere Steuergelder betroffen wären.

ENDE MIT SCHRECKEN:
In Extremfällen oder dem Verdacht auf Unregelmäßigkeit oder Manipulation kann die Ausschreibung seitens der Behörde auch wieder aufgehoben werden. Im Fall ‚LEO‘ ist dies jetzt auch passiert (wir haben darüber berichtet).
Schützen kann sich der Geschädigte nur, indem er per Software immer raffinierter erstellte Preisspiegel-Diagramme anwendet oder den sogenannten ‚Kreis‘ (das oben beschriebene Kartell) sprengt, indem er einen lokal weit entfernten Zusatzanbieter um ein entsprechendes Angebot bittet. Aber das funktioniert in der Regel auch nicht immer. Leider!
Unsere Aufgabe als Steuerzahler ist es, diesbezüglich immer ein wachsames Auge auf unsere liebe Verwaltung und aller am Bau Beteiligter zu haben, gegebenenfalls auch Unregelmäßigkeiten sofort der Staatsanwaltschaft zu melden und dem Gift Korruption, Vorteilsnahme, wie man es auch immer nennen mag, bestmöglich mit einem Gegengift (Aufklärung, Veröffentlichung) zu begegnen.
Ob illegal oder legal ist uns eben nicht egal! 

Foto: Ben Becher