Worthülsen statt Sanierungsplan - Das sogenannte Strategiepapier zur Haushaltskonsolidierung hat diesen Namen leider nicht verdient

16Juni
2025

Das reicht bei weitem nicht, Herr Oberbürgermeister.
Mit der Vorlage seines sogenannten Strategiepapiers macht es sich unser OB zu leicht.

Seit letztem Freitag ist die „Liste der Grausamkeiten“ bekannt, mit der unser Oberbürgermeister den Finanzkollaps von Baden-Baden abwenden will. Um 21 Millionen Euro soll das Haushaltsdefizit reduziert werden. Wer sich die Liste genauer anschaut, wird merken, dass viele der geplanten Einsparungen erst langfristig greifen. Man kann eben einen Gemeinderat nicht von heute auf morgen um 20 % verkleinern und um den Anteil am defizitären Klinikum zurückzufahren, braucht es auch Zeit. Höchstens um 10 Mio. Euro werden die Maßnahmen das Defizit in diesem Jahr reduzieren, das in diesem Jahr übrigens bei rund 51 Mio. Euro und im nächsten Jahr bei über 60 Mio. Euro liegt. Größte Brocken auf der „Liste der Grausamkeiten“ sind die Erhöhungen der Gewerbesteuer um 11,5 % und der Grundsteuer um 15 % wodurch 8,5 Mio. Euro mehr in die Stadtkasse fließen sollen. Bei den Personalkosten will man 9 Mio. Euro einsparen, was dramatisch klingt, aber in Wahrheit nur heißt, dass die 90 offenen Stellen bei der Stadt weiterhin nicht besetzt werden. Dass man das Stadtmuseum aufgeben, die Ortsverwaltungen von Sandweier und Haueneberstein zusammenlegen und Buslinien streichen will, erfährt man am Rand. Ebenso wie die Tatsache, dass es kein Welterbe-Informationszentrum geben soll. 
 
Das alles ist deprimierend und traurig genug, weil es eben nur Stückwerk ist ohne langfristige Perspektive. Aber die Krone der Unverfrorenheit ist das, was uns das Rathaus im Anhang zur Streich- und Erhöhungsliste als ein sogenanntes „Strategiepapier zur Haushaltskonsolidierung“ vorlegt. Eine 11-seitige, langatmige und faktenarme Litanei der kollektiven Nichtverantwortlichkeit, übervoll mit Allgemeinplätzen und schwammigen Formulierungen. Was leider völlig fehlt, ist eine Antwort auf die drängende Frage: wo wollen wir eigentlich hin? Eine schlüssige zahlen basierte Finanzplanung für die nächsten 5 Jahre? Fehlanzeige! Stattdessen Wortgeklingel aus dem Text-Baukasten. Es ist alles dabei, was gerade en vogue ist: Digitalisierung und KI, Automatisierung von Routinetätigkeiten, interkommunale Zusammenarbeit, kostenbewusste Ausschreibungspraxis, ein neues „integriertes“ Controllingsystem usw. Aber mal ehrlich: was dem Gemeinderat hier als neuer strategischer Wurf verkauft werden soll, ist die ganz normale Tätigkeitsbeschreibung jeder Verwaltung und eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Gab es das etwa alles bisher noch nicht? Wenn das so ist, dann kann einem angesichts des Schlendrians übel werden, und wenn es das schon gab, dann ist das Papier einfach nur alter Wein in neuen Schläuchen. 
 
Warum also dieses 11-seitige Papier der Plattitüden?  Der Autor vermutet, dass damit mal wieder der Gemeinderat und die Bürger eingelullt werden soll. Sie sollen beeindruckt sein von so viel Aufbruchsstimmung im Rathaus und dann beruhigt dem „Weiter so“ zustimmen. Zur bitteren Wahrheit gehört aber, dass damit die strukturellen Finanzprobleme auch nicht ansatzweise gelöst sind. Außerdem entlarvt das Papier auch den Verfasser: Der mächtigste Mann in unserer Stadt führt nicht. In Krisenzeiten erwarten die Bürger und Mitarbeiter der Verwaltung einen starken Mann/eine starke Frau, die den Weg weist und mutig vorangeht. Jemand, der als oberster Dienstherr der Verwaltung vorgibt, was sie zu tun. Jemand, der den Bürgern reinen Wein einschenkt und sie mitnimmt. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, in der Pressekonferenz am Freitag haben Sie gesagt, Sie seien „guten Mutes“, dass die Sanierung gelingt. Es wäre hilfreich, wenn die Bürger unserer Stadt auch so denken würden. Bislang tun sie das aber nicht und es liegt an Ihnen, das zu ändern. Mehr Tat statt Talk. 
 
PS. Unbeantwortet bleibt weiterhin die Frage, warum sich das Rathaus in dieser schwierigen Situation nicht Rat und Unterstützung von externen Fachleuten holt? Sonst ist man ja auch schnell dabei, „externe Gutachten“ in Auftrag zu geben?  Warum bittet man nicht mal eine Baden-Badener Unternehmensberatung oder die Sanierungsprofis von Schultze und Braun in Achern um Rat – das dafür nötige Budget würden der Gemeinderat sicher bewilligen. 

 

Jan-Michael Meinecke

2. Vorsitzender

Freie Bürger für Baden-Baden e.V. / Ortschaftsrat Ebersteinburg

 

Hinweis: Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im FBB Newsletter und auf der Website nur die männliche Form verwendet. Diese Form versteht sich explizit als geschlechtsneutral.

Fotos: FBB-Archiv