Zwei Oberbürgermeister-Kandidaten standen Rede und Antwort

18Februar
2022

Am Mittwoch fand im Goldenen Löwen in Lichtental der Stadtbildstammtisch statt. Zu Gast waren zwei Kandidaten, die Oberbürgermeister werden wollen: Bettina Morlok und Rolf Pilarski. Die Moderatoren wollten von ihnen erfahren: Können Bürger als Oberbürgermeister mehr?

Der Verein fordert traditionell bei den OB-Wahlen alle Kandidaten zur Beantwortung von Wahlprüfsteinen aus Stadtbildsicht auf. Bei dieser Wahl gibt es nun die Besonderheit, dass sich neben Amtsträgern auch Normalbürger bewerben. Muss man Verwaltungserfahrung haben, wenn man eine Verwaltung gut führen will? Das fragen sich viele Bürger verunsichert und schwanken in ihrem Urteil. Der Verein Stadtbild Baden-Baden e.V. lud deshalb zu einer Stammtisch-Veranstaltung ein.

Lebhafte Fragerunde

Astrid Sperling-Theis vom Verein Stadtbild Baden-Baden e.V. eröffnete den Abend und begrüßte die rund 30 Gäste, gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerd Müller. Wolfgang Niedermeyer, 1. Vorsitzender, war im wohlverdienten Urlaub. „Wir werden zwei Kandidaten kennenlernen, die auch über Stadtbildthemen sprechen werden. Die Bürger unserer Stadt brauchen Planungssicherheit, Stichwort Baustellen. Deshalb haben wir eine Fragerunde vorgesehen, speziell zu unserer Stadtbildthematik.“

Vorstellung der Kandidaten

In jeweils fünf Minuten stellten sich die beiden Kandidaten vor. Bettina Morlok wohnt seit 20 Jahren in Baden-Baden, ist 59 Jahre alt, verheiratet und hat eine Tochter. Sie ist in Karlsruhe geboren. „Ich habe mich immer in einem engen Radius rund um Baden-Baden herum bewegt. Ich habe gesehen, dass sich die Stadt zum Negativen verändert hat, deshalb möchte ich die Stadt nach vorn bringen.“ Bettina Morlok kommt aus der Wirtschaft, ist Betriebswirtin, hat unter anderem in der Energiewirtschaft gearbeitet, auch im arabischen Raum sowie in Südamerika. „Ich habe in meiner Tätigkeit viele Kulturen kennengelernt, was mir geholfen hat, gut auf Menschen zu reagieren.“ Sie tritt parteilos an. Ihr Credo: Baden-Baden kann mehr. „Wir brauchen eine tolle Stadt für die Bürger und Touristen. Und die Baustellen müssen dringend beschleunigt werden.“

Rolf Pilarski wies darauf hin, in der Stadt bereits bekannt zu sein. Als Stadtrat der FDP habe er bereits acht Jahre Politik gemacht. Pilarski ist 1955 am Niederrhein geboren und war lange bei der Bundeswehr. Im Anschluss hat er Betriebswirtschaft studiert und war in der Papierindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb. Er stellte heraus, auch in Paris gearbeitet zu haben. Pilarski ist seit 47 Jahren verheiratet und hat zwei Söhne. „Ich lebe gern in dieser Stadt und mag den Mix aus badischer Lebensart, Landschaft, Architektur und Kultur. Das sehen viele Leute in Deutschland und wollen hierherkommen.“

Teamplayer aus Prinzip

Sperling-Theis warf im Anschluss die erste Frage in den Ring – den Kandidaten blieben jeweils zwei Minuten Antwortzeit. „Sie sind beide Seiteneinsteiger und wollen einen Neuanfang hinbekommen. Wollen Sie sich dabei Hilfe von außen holen?“, adressierte sie sich an die beiden. „Ich würde mir keine Hilfe von außen holen, da Berater die Wünsche nicht kennen“, antwortete Bettina Morlok. „Außerdem kosten Berater viel Geld. Ich würde vielmehr die Mitarbeiter motivieren, gemeinsam mit mir den Neuanfang zu gestalten. Ich bin ein Teamplayer, war immer Teil meiner Teams, auch wenn ich Projektleiter war. Wir haben in der Verwaltung viele Experten, deren Erfahrung wir nutzen können. Und: Wir haben ein riesiges Potenzial in unserer Stadt, auch in der Bürgerschaft. Viele Bürger rufen mich an und bringen Ideen ein. Ich kann zuhören und möchte die Ideen umsetzen.“

Richtig führen

Rolf Pilarski betonte: „Man muss vor dieser Aufgabe großen Respekt haben. Die Probleme, die wir haben, sind komplex. Man muss sehen, mit welchem Potenzial an Menschen man arbeiten muss. Ich glaube, die meisten ziehen mit, wenn man ihnen die Probleme erklärt. Was wir machen müssen: die Probleme verstehen und als Führungskräfte Lösungen aufzeigen. Wir dürfen die Leute nicht nur fordern, sondern wir müssen ihnen helfen als Vorgesetzte. Wir müssen erst einmal eine Ist-Zustand-Analyse machen und dann so verwalten, dass die Bürger etwas davon haben: Erst dann bekommen wir Akzeptanz.“

Kooperation mit den bisherigen Dezernenten?

Gerd Müller fragte weiter: „Man spricht darüber, dass die Chemie zwischen der OB und ihren beiden Bürgermeistern nicht stimmt. Könnten Sie, Frau Morlok, mit den übrigbleibenden Dezernenten arbeiten? Bettina Morlok antwortete schnörkellos: „Wenn beide ihre Aufgaben erfüllen können, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Man muss umgekehrt aber auch sehen, ob sie die Konzepte, die ich umsetzen möchte, unterstützen werden.“ Rolf Pilarski betonte: „Die beiden Dezernenten Kaiser und Uhlig sind feine Männer, ich komme mit ihnen gut aus. Ich würde mich freuen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir sind politisch in anderen Lagern, aber letzten Endes liegt es am Führungsstil des Oberbürgermeisters.“

Pro Tourismus oder contra?

Sperling-Theis formulierte die dritte Frage: „Sind wir eine Touristenstadt? Wie sehen Sie die Zukunft? Für Bettina Morlok steht fest: „Wir wollen als Bürger hier gut leben, auf der anderen Seite leben wir auch vom Tourismus. Wir müssen ein sehr schönes Stadtbild haben, damit die Touristen kommen, das nutzt auch den Bürgern.“ Rolf Pilarski betonte: „Wir brauchen einen Kompromiss zwischen den Interessen der Bürger und der Tourismusindustrie. Die Touristen werden kommen. Wir haben eine tolle Infrastruktur, tolle Hotels. Wir brauchen aber keinen Massentourismus. Den Slogan Good-Good-Live würde ich als OB eliminieren und etwas Besseres finden. Dafür würde ich einen Wettbewerb starten.“

Mäzene erwünscht!

Sperling-Theis kam auf das Thema Mäzenatentum an und führte die Stourdza-Kapelle als vorbildliches Beispiel an, wie Bürger gemeinschaftlich etwas auf dem Weg bringen. Die Vergoldung der Kuppel wurde allein durch Spenden ermöglicht. Die treibende Kraft dieser Aktion war übrigens die FBB und nicht die FDP, wie Rolf Pilarski versuchte darzustellen. Sperling Theis fragte: „Wir brauchen jemanden, der den Mut hat, wohlhabende Leute anzusprechen und sie mit einzubinden in unsere Pläne. Liegt Ihnen das Klinkenputzen?“ Bettina Morlok sieht das pragmatisch: „Ich würde das nicht als Klinkenputzen bezeichnen. Ich denke, ich kann die Bürger begeistern für Themen, dass sie uns unterstützen, entweder ideell oder auch mit Geld. Ich bin bekannt dafür, dass ich mich immer sehr stark für meine Projekte einsetze.“ Rolf Pilarski beklagte, dass es der aktuell amtierenden Oberbürgermeisterin nicht gelungen sei, eine Spenderin, die siebenstellig spenden wollte, in die Stadt einzubinden. „Ich denke, mit privatem Kapital könnten wir viele Projekte verwirklichen.“

Die Stärken der Kandidaten

Gerd Müller stellte im Anschluss die Gretchenfrage: „Was glauben Sie, machen Sie besser als Ihre Mitkandidaten? Wo ist Ihre Stärke? Wieso haben Sie sich beworben?“ „Ich bin ein Teamplayer und ich weiß, dass ich die Verwaltung und die Bürger begeistern kann“, unterstrich Bettina Morlok. „Ich bin parteilos und muss mich nicht nach der Landes- oder Bundespolitik richten. Ich bin eine Umsetzerin, ich kann einen Haushalt gut verwalten, was extrem wichtig ist, damit wir den Schulden Grenzen setzen.“ Rolf Pilarski betonte seine Unabhängigkeit: „Ich werde im April 67 Jahre alt. Ich kann mit einer Art väterlichen Rolle auf die Stadt zugehen. Ich bringe Erfahrungen in internationales Geschäft mit. Da ist vielleicht das Alter dann wieder die Erfahrung, weil man die Lockerheit mitbringt und die Leute mitnehmen kann, damit sie ihre Aufgaben erledigen wollen.“

Die Zukunft des Neuen Schlosses

Im Anschluss konnten die Gäste Fragen stellen. Dabei ging es etwa um das Neue Schloss. Wie es in eine tragfähige Konzeption bringen? Wie die Landesregierung mit einbeziehen? Rolf Pilarski wies auf ein Gespräch vor ein paar Wochen hin: „Ich war bei der Videokonferenz mit der Eigentümerin und diversen Experten dabei. Viele von uns Stadträten haben vor, den Bebauungsplan aufzuheben. Jetzt kam wieder ein neuer Vorschlag für ein Hotel und man hat uns das Projekt vorgestellt. Meine Frage an die Eigentümerin, Frau Al-Hassawi, war: Haben Sie eine Finanzierung? Einen Businessplan? Alles wurde mit nein beantwortet. Es fehlen Belege für politische Entscheidungen, wir stimmen nicht für einen Traum. Aus meiner Sicht hat die Frau gar nichts, sie träumt davon, dass sie ihr Investment verzinst bekommt. Ich kann Ihnen sagen, wir werden mit der Mehrheit der liberalen Fraktion den Bebauungsplan aufheben, dann ist er Geschichte. Dann wird der Schlossgarten nicht bebaut.“ Bettina Morlok fügte hinzu: „Ich kann mich dem nur anschließen. Es ist eine Schande, wie der Gemeinderat an der Nase herumgeführt wird. Und ich setze noch eins drauf: Die Dame hat wohl nicht mal einen Traum. Ich denke, es ist pure Angeberei, dass die Dame sagen kann, ich besitze ein Schloss in Baden-Baden. Man muss das Neue Schloss zur Chefsache machen, mit der Landesregierung sprechen und schauen, dass es wieder in unsere Hände kommt.“

Wie die Innenstadt beleben?

Ein weiterer Gast wollte wissen: Welche Ideen haben Sie, um das Sterben des Einzelhandels aufzugreifen? Und um die Gastronomie im Rebland wieder zu beleben? Bettina Morlok hob an: „Ich weiß nicht, ob ich die hohen Mieten beeinflussen kann. Aber ich denke, wenn wir ein gutes Konzept entwickeln für den Tourismus, dann wird auch der Einzelhandel davon profitieren. Wir müssen viele Aktionen starten und auch Kongresse hier abhalten, um die kaufkräftige Kundschaft hierherzubringen und das Einkaufen zu einem Erlebnis machen. Wenn wir das bieten, dann kommt Kaufkraft nach Baden-Baden. Und was das Rebland betrifft: Wir müssen viel mehr Werbung für die umliegenden Dörfer machen, damit das Umland wieder aufblüht.“ Rolf Pilarski: „Ein Weg könnte sein, dass Baden-Baden ein außergewöhnliches Angebot vorhält, etwas, das man nicht im Internet findet, etwa im Bereich der Antiquitäten oder der Kunst. Hier müsste man mit Spezialisten Konzepte erarbeiten. Wir müssen dringend unsere Infrastruktur in Ordnung bringen und das mit dem Parken überdenken. Da müssen alle an einem Strang ziehen.“

Lange Wartezeiten im Bauamt

Ein weiterer Gast meldete sich zu Wort: „Im Bauamt kursiert ein Witz: Warum heißt Baden-Baden Baden-Baden? Weil alles doppelt so lang dauert! Vieles im Bauamt dauert viel, viel zu lang. Fristen werden oft nicht eingehalten. In Karlsruhe gibt es das Problem nicht. Der Bürger wird in unserer Stadt verschaukelt. Was würden Sie machen?“ Bettina Morlok: „Ich habe unter anderem in der Bauwirtschaft gearbeitet. Die Lösung könnte sein: Man muss sich die Prozesse im Bauamt genau anschauen. Herrscht dort Willkür? Werden dort Entscheidungen herausgezögert oder will man nicht entscheiden? So etwas gibt es bei mir nicht. Entscheidungen müssen schnell in der gesetzlichen Zeit über die Bühne gehen.“ Rolf Pilarski betonte, dass in der Mängelmelderliste der Stadt noch Mängel aus 2020 stünden. „Man muss Einsicht schaffen, dass die Dinge sich schneller bewegen.“

Windkraft? Nicht in Baden-Baden

Auch das Thema Windkraft wurde angesprochen. Eine Windkraftanlage auf dem Wettersberg würde man vom Neuen Schloss aus sehen. Bettina Morlok reagierte beherzt: „Mich stört hier noch mehr. Ich bin grundsätzlich für regenerative Energie. Aber mit mir wird es keine Windkraft in Baden-Baden geben. Einer der Hauptgründe für mich ist die mangelnde Wirtschaftlichkeit. Denn wir haben hier keine Windkraftregion. Bei uns wäre Windkraft eine Investitionsverschwendung und zweitens verschandelt sie die Landschaft. Ich denke, wir müssen hier einen anderen Ansatz fahren. Hier gibt es aber Möglichkeiten mit erprobter Energie, etwa Sanierungskonzepte für Altbauten, um sie energieautark zu sanieren. Unsere Stadtwerke sollten uns besser beraten, damit Häuser energieautark werden. Damit wir kaum noch Energie von draußen benötigen. Ich würde deshalb zuerst mit den Stadtwerken sprechen.“ Rolf Pilarski pflichtete bei: „Wer Windkraft haben möchte auf unseren Höhen, darf mich nicht wählen.“

Fotos: FBB-Archiv