Stadtarchiv: Kritik an der künftigen Bleibe

30Juli
2021

Am Montag beschloss der Gemeinderat mehrheitlich, dass das Stadtarchiv künftig vor den Toren der Stadt untergebracht wird. Stadtrat Niedermeyer, erster Mann des Vereins Stadtbild, äußerte sich kritisch – auch in einem am Montag übersandten Schreiben an OB Mergen. Und provoziert: „Sollen wir von der FBB erneut Mäzene suchen?"

Bislang ist das Stadtarchiv noch im ehrwürdigen Baldreit im Herzen der Innenstadt verortet – doch dort gibt es Brandschutz-Mängel. Außerdem platzt das Stadtarchiv aus allen Nähten. Doch dass es nun in einem Malerbetrieb, der umziehen wird, nahe der B 500 und Cité untergebracht werden soll, hält Wolfgang Niedermeyer, Wächter über die Schönheit unserer Stadt, für unangemessen.

Sollen es wieder die Bürger richten?

Im Schreiben an OB Mergen stellt er einen Mangel an Engagement für Kultur und Stadtbild seitens der Verwaltung fest: „Schon die Einrichtung des Stadtmuseums, ebenfalls früher im Baldreit untergebracht, kam aus der Bürgerschaft in den Gemeinderat. Die private Scherer-Stiftung erwarb die Jugendstilvilla Alleehaus’ 2002, um sie der Stadt für das Museum zur Verfügung zu stellen, so die städtische Webseite. Dazu kamen viele Bürgerspenden für die Ausgestaltung.

Eine Kuppel-Vergoldung aus städtischen Mitteln für die im Kaiserreich geschundene Stourzda-Kapelle, mit diesem Gemeinderat – ebenfalls Fehlanzeige.

Die Städte der Umgebung würdigen ihr Stadtarchiv

Ein Stadtarchiv als Schatzhaus der Geschichte: wahrnehmbar im Zentrum der Gemeinde, wie zum Beispiel in Offenburg oder Rastatt. Mit diesem Gemeinderat offensichtlich nicht möglich.

Sollen wir von der FBB erneut Mäzene suchen, die diesmal dafür sorgen, dass die Welterbe-Stadt Baden-Baden ihr Erbe würdig unterbringen und präsentieren kann?

Fragwürdiges Agieren

Wie positioniert sich in diesem Zusammenhang die Kulturdezernentin, Finanzdezernentin und Wirtschaftsförderungsdezernentin, also Oberbürgermeisterin Mergen in Personalunion? Es geht wohl um einen Grundstücksdeal. Ein abgeschriebenes Gewerbegebäude samt Grundstück in einem Mischgebiet, Nennwert 220 Euro/m2 nach Bodenrichtwertkarte, kauft die Stadt an.

Der Betrieb erwirbt in einem Gewerbegebiet ein Grundstück, Nennwert 100 Euro pro Quadratmeter nach Bodenrichtwertkarte. Also ein Differenzgeschäft von 324.000 Euro für die Firma. Das nennen wir Wirtschaftsförderung, Frau Oberbürgermeisterin. Saldiert man alle vorliegenden Zahlen, entsteht bei diesem Deal 750.000 Euro Mehraufwand zum Beschluss von 2018. Wo bleibt da die Finanzdezernentin?

Das Stadtarchiv wird ins Nichts verbannt

In diesem verschachtelten Altbau mit Gewerbeadresse, versteckt hinter Bäumen in einem Hinterhof gelegen, umständlich erreichbar über eine Anliegerstraße, soll eine wichtige kulturelle Institution entstehen. Fahren Sie nach Rastatt, fahren Sie nach Offenburg, dort ist das Schatzhaus dieser Städte angemessen und zentral im Stadtbild präsent. Wo bleibt hier die Kulturdezernentin?

Haben die Bürger schon resigniert?

Überhaupt, wo bleiben eigentlich die Bürger. Etliche streiten für ungestörten Kaffeehaus und Restaurantbesuch, wollen flanieren und keinen Kompromiss akzeptieren, der von ihren Repräsentanten im Sinne des Gemeinwohls beschlossenen wurde. Darüber wurde gerade beraten und entschieden. Andere haben resigniert und sich schon längst abgemeldet aus der Gemeindepolitik.“

Wolfgang Niedermeyer unterstreicht, dass jede Entscheidung eine Verantwortung nach sich zieht: „Die Verantwortung tragen wir Anwesende. Wollen Sie dieses unsichere und für eine Kultur- und frischgekürte Welterbe-Stadt unrühmliche Projekt wirklich mit Ihrem Namen verbinden? Ich nicht.“

Fotos: Ben Becher/FBB Archiv