Baden-Badener gedenken an die Befreiung von Auschwitz

28Januar
2020

Rund 130 Menschen waren am Sonntag zum Augustaplatz gekommen, um ein Zeichen zu setzen gegen Hass und Antisemitismus. Im Mittelpunkt stand die Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren – und die Aktion mehrerer Baden-Badener Schüler und Organisationen, die die Stolpersteine gereinigt haben: Damit die Erinnerung nicht verblasst. Das Treffen koordiniert hatte die Organisation Pulse of Europe. Auch einige Mitglieder der FBB waren gekommen.

„Dem Hass und der Hetze entgegentreten: Auf uns alle kommt es an!“ Evelin Wirbitzky von Pulse of Europe Baden-Baden begrüßte die versammelten Bürger. Sie erinnerte daran, dass die UN den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar als Tag der Erinnerung ausgerufen haben. Und betonte, dass viele Gruppen in Baden-Baden zusammengeholfen haben, um die Stolpersteine in der Stadt aufzupolieren. Diese erinnern an Menschen, die deportiert wurden und meist nicht mehr aus ihrer Höllenhaft zurückkehrten.

Engagierte Baden-Badener jeden Alters

Viele junge Leute waren an diesem Sonntag mit dabei, vielen von ihnen hatten Stolpersteine geputzt, etwa eine Schülergruppe des Richard-Wagner-Gymnasiums und auch vom Gymnasium Hohenbaden. Auch eine Gruppe Konfirmanden war dabei. Weiterhin sprachen Vertreter der christlichen Kirchen, Mitglieder des Theaters Baden-Baden und der deutsch-israelischen Gesellschaft. Sie wurde durch Rabbi Naftoly Surovtsev vertreten.

Erinnern an eine KZ-Gefangene

Oliver Ehret, Professor für Rechtswissenschaften und ebenfalls Organisator von Pulse of Europe in Baden-Baden, erinnerte in seiner Rede an Simone Veil. Die Französin war mit 16 Jahren ins KZ gekommen. „Sie war jüdisch, patriotisch, nicht religiös. 1944 wurde die ganze Familie von der Gestapo verhaftet und deportiert.“ Die Selektion bei der Ankunft in Auschwitz-Birkenau überlebte das junge Mädchen nur, weil sie vortäuschte, bereits 18 Jahre alt zu sein. Veil studierte später Jura, wurde Richterin und Ministerin. Das Europäische Parlament wählte Veil am 17. Juli 1979 zur Präsidentin. Sie war die erste Frau, die dieses Amt innehatte.

Einsatz für Europa – für den Frieden

Europapolitik war für Veil der Höhepunkt ihrer politischen Laufbahn. „Sie war die erste Präsidentin eines freigewählten Europaparlamentes, das sich für Frieden einsetzt und dafür, dass Krieg und Totalismus für immer verhindert werden“, betonte Ehret. Und er nannte in diesem Zusammenhang die feinsinnige Devise Europas: „In Vielfalt geeint“. Kulturelle Vielfalt – ein unschlagbarer Vorteil.

Kämpfen gegen Rechtsextremismus und Unmenschlichkeit

„Wir alle sollten es als Auftrag sehen, uns zu erinnern“, appellierte Ehret. „Doch es reicht nicht, sich zu erinnern. Wir müssen dafür kämpfen, dass sich diese Tragödie des Hasses und der Unmenschlichkeit nicht wiederholt. Wir müssen gegen die neuen extremen Rechten in unserer Gesellschaft mit allen friedlichen und rechtstaatlichen Mitteln, die uns zu Verfügung stehen, angehen.“

Bewegende Worte einer Schülerin

Berührend war die kurze und warmherzige Rede der Schülersprecherin Laura Trefzger vom RWG. „Wir sind hier im Rahmen der Stolperstein-Putzaktion. An unserer Schule legen wir Wert darauf, niemanden auszugrenzen. Es sind unsere Unterschiede, die uns ausmachen und die uns besonders machen. Durch sie können wir so viel lernen. Es kommt nicht darauf an, welcher Ethnie oder Kultur wir angehören. Jeder Mensch ist auf seine Weise wertvoll und wunderbar. Lassen wir niemals zu, dass sich diese Zeit von Auschwitz wiederholt.“

Appelle für den Frieden und gegen das Vergessen

Weitere Redner kamen zu Wort – darunter Rabbi Naftoly Surovtsev, der betonte, dass das Sich-Erinnern an Auschwitz 20 Prozent der Deutschen laut FAZ übertrieben vorkommt –, und Intendantin Nicola May vom Theater Baden-Baden, die Ende April im Tik Erich Kästners „Die Konferenz der Tiere“ aufführt. In diesem Stück übernehmen anstelle von Menschen die Tiere die Politik, um für künftige Generationen den Frieden zu sichern.

Ode an die Freude, gespielt von einem, dessen Leben bedroht wurde

Zum Abschluss erklang die „Ode an die Freude“ – dieses Mal als Klavierversion des deutsch-russischen Star-Pianisten Igor Levit. Im November 2019 hatte dieser eine Mail mit Morddrohungen bekommen, für ein Konzert in Süddeutschland. Er schaltete die Polizei ein und spielte das Konzert trotzdem. Levit, der in Hannover als Professor Klavier lehrt, engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus: „Habe ich Angst? Ja, aber nicht um mich, sondern um dieses Land. Mein Land.“

Fotos: FBB-Archiv