Und doch: Es lebe die Zuversicht

30November
2021

Wetter trüb, Corona-Zahlen hoch, Impfquote niedrig: Es gibt eine ganze Menge Themen, die einem dieser Tage auf die Seele schlagen können. Und doch gibt es immer einen Grund für Zuversicht. Eine Betrachtung von Cornelia Mangelsdorf.

Geht es Ihnen auch so? Man hat fast schon keine Lust mehr, morgens die Zeitung zu lesen oder abends die Nachrichten zu schauen. Die „bad news“ haben momentan die Oberhand. Neue Virus-Variante in Südafrika. Immer mehr Corona-Fälle. Schleppendes Vorgehen beim Impfen. Hohe Inflationsrate. Bonjour, Tristesse!

Ein Grauschleier hat sich auf unser Befinden gelegt

Wir hatten gedacht, dass dieser Winter nicht so hart wird wie der letzte – leider ist das nicht der Fall, wir sind mittendrin in einem weltumspannenden Malheur und wir werden es so schnell nicht wieder los. Es ist hart, in einer Krise zu verharren, von der man nicht weiß, wie lange sie noch dauert und welchen Gesamtschaden sie anrichten wird. Das geht den meisten von uns mittlerweile an die Substanz. Spüren Sie es auch? Man merkt allerorts eine gewisse Reizbarkeit, siehe Autoverkehr.

Wie aber damit umgehen?

Wie die Nerven behalten, Ruhe bewahren, oder gar mit Zuversicht durch diese trüben Tage kommen? Was kann unser Rüstzeug sein, an Nachmittagen, an denen der graue Himmel partout kein Licht spenden will? An denen sich unsere Kraft und Zuversicht womöglich im Kellergeschoss des Daseins versteckt?

Hinnehmen, was nicht zu ändern ist

Viktor Frankl, österreichischer Neurologe und Psychiater und vor allem großer Sinn-Forscher, hat einen Satz geprägt, der mir seit Jahren hilft, in schwierigen Momenten den Kopf dennoch gerade zu halten und mit Zuversicht nach vorn zu blicken. Er lautet schlicht: „Hinnehmen, was nicht zu ändern ist“. Das fällt mir nicht immer leicht, zugegeben. Aber wenn ich hinnehme, was ich nicht unmittelbar verändern kann, verplempere ich weniger Zeit damit, mich zu ärgern oder Klagelieder anzustimmen. Ich nehme hin, was nicht zu ändern ist – und wende mich anderen, erfreulicheren Themen zu.

Jeder Tag hat seine eigene Plage

Es ist vielleicht nur ein kleiner Trost: Aber die Welt musste schon immer mit Sorgen und Krisen kämpfen. Der Mensch wünscht sich Unbeschwertheit – doch die Realität setzt uns oft Probleme vor die Nase; vielleicht, damit wir innerlich daran wachsen. In der Bibel, genauer gesagt in Matthäus 6, Vers 34, steht, wie ich finde, ein ziemlich kluger Rat: „Darum sorgt nicht für morgen; denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ Mich beruhigen diese Sätze ungemein. Weil sie aussagen, dass eben nicht immer eitel Sonnenschein herrschen kann – denn jeder Tag hat seine eigene Plage (ob es die Steuererklärung ist, das Ziehen im Kreuz, der Strafzettel – da fällt jedem von uns sicherlich eine ganze Menge ein). Leben wir doch, so gut es geht, im Moment, im Hier und Heute! Und wenden wir uns den schönen Dingen und Erlebnissen ganz bewusst zu.

Sich an dem freuen, was wir haben

Licht und Schönheit können wir in diesen Tagen reichlich in unserer Stadt entdecken. Der Weihnachtsmarkt lädt mit seinen Holzbuden zu einem Bummel ein. Die Straßen sind wunderschön geschmückt – nie ist Baden-Baden romantischer als jetzt. Welch Privileg, hier leben zu dürfen! Ja, es ist eindeutig Licht in dieser Welt.

Es lebe die Unbeschwertheit

Machen wir uns also auf, die Zuversicht wiederzuentdecken. Lassen wir den Trübsinn einfach mal warten. Unbeschwertheit, wo können wir Dir begegnen? Ich kenne da einen ganz besonderen Ort und ich werde nicht müde, ihn mir immer wieder anzuschauen: Es ist mein Vogelhäuschen. Darin geht es so munter zu, dass ich sofort alle Sorgen vergesse. Zwei, drei Eichhörnchen schauen jeden Tag vorbei und vollführen ihre Kletterkünste an den Bäumen. Auch ein Eichelhäher ist neuerdings Dauergast. Das Rotkehlchen wird immer dicker und die Meisen immer zahlreicher. Es ein buntes Kommen und Gehen: In meinem Vogelhäuschen ist die Welt in Ordnung. Ganz einfach.

Ohne Lebenssinn geht es nicht

Für Viktor Frankl, der trotz schlimmster KZ-Erlebnisse nicht den Lebensmut verlor, war klar: Ohne Lebenssinn können wir nicht sein. Einer seiner Wege, um Sinn zu erkennen, steckte für ihn auch im bewussten Erleben der Natur oder anderer Menschen – am Erleben ihrer Einmaligkeit. Und darin, jeden Tag, den wir leben dürfen, als Geschenk zu begreifen. Fangen wir doch gleich damit an. Und die Tristesse, die schießen wir auf den Mond. Au revoir!

Fotos: Ben Becher