Tagesmutter Tina Meyhack: „Wir halten berufstätigen Frauen den Rücken frei“

23September
2018

Auch wenn sie manchmal nur gerade so über die Runden kommt, macht sie ihre Aufgabe mit Herzblut: Christina Meyhack (53), arbeitet als selbstständige Tagesmutter in der Kinderbetreuung Glücksbären. Was manchmal für sie selbst ein harter Existenzkampf ist, ermöglicht es anderen Frauen, Geld für die Familie zu verdienen.

Bei den Glücksbären herrscht buntes Treiben. Tina Meyhack sitzt mit ein paar Kleinen am Tisch und bastelt. Sie strahlt Ruhe, Wärme und Entschlossenheit aus. Seit 2013 betreut sie hier, gemeinsam mit ihrer Kollegin, Birke Brenzke, Kinder zwischen acht Wochen und drei Jahren. Gegründet wurden die Glücksbären von dem Tagesmutterverein „Maxi & Moritz e.V“, bei dem sie Vorsitzende war und dem Unternehmen Immobilien Regional, der Familie Ernst. Mit dem Ziel, dass Frauen, die wieder arbeiten wollen oder müssen, schnell eine liebevolle Kinderbetreuung finden. Denn nicht immer klappt es mit dem Kita-Platz.

Von morgens bis abends für die Kleinen da

Ab 7.30 Uhr bringen die Eltern ihre Kinder in die Räume in der Lichtentaler Straße. Dann wird gefrühstückt, gebastelt, gesungen, gemalt und jedes Kind nach seinen Bedürfnissen gefördert. Tina Meyhack geht mit den Kindern raus, kocht, wickelt, putzt Zähne, legt die kleinen Mäuse schlafen. Abholzeit ist nachmittags zwischen 14 und 17.15 Uhr, freitags etwas früher. Der Bedarf an Betreuung ist groß. Die gebürtige Berlinerin wurde 2001 Tagesmutter, weil sie selbst eine suchte und keine fand. Sie kennt die Nöte der Familien und will helfen. „Deshalb würde ich gern noch zwei Frauen finden, die bis 21 Uhr die Kinder betreuen können. Viele Eltern müssen länger arbeiten, etwa, wenn sie im Handel oder Schichtdienst arbeiten.“

Das verdient eine Tagesmutter

Tina Meyhack arbeitet auf eigene Rechnung. Zusammen mit ihrer Kollegin kümmert sie sich um insgesamt zehn Kinder, wobei es zeitgleich nur sieben sein dürfen: Das heißt, drei bis vier Tageskinder pro Tagesmutter. Im Vergleich: Eine Tagesmutter daheim darf fünf Kinder zeitgleich betreuen. Manche Kinder kommen nur ein paar Stunden. „Wir arbeiten in Kooperation mit dem Jugendamt. Für die Betreuung gibt es die gesetzliche Kindesförderung: einen Betreuungsanspruch von mindestens 20 Stunden pro Woche haben Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. Eine Tagesmutter bekommt pro Kind in Baden-Baden 5,50 Euro die Stunde. Findet die Tagespflege in anderen geeigneten Räumen statt, so wie bei uns, gibt es 50 Cent mehr. Für 20 Stunden Betreuung wöchentlich gibt es im Durchschnitt 522 Euro monatlich pro Kind. Davon muss alles bezahlt werden: das Essen für die Kinder, Räumlichkeiten, Ausstattung der Räume samt Spielsachen, Nebenkosten, Versicherungen und Weiterbildungskosten.“

Kaum Absicherung

Das Geld reicht gerade so. „2012 hatte ich mich bei einem Kind angesteckt und bekam eine Hepatitis. Ich fiel acht Wochen aus. Das war hart, denn ich hatte keine Einnahmen.“ Wenig Habe für eine verantwortungsvolle Aufgabe: kleine Menschen, Schutzbefohlene – unser wichtigstes Gut! Und Frauen wie Tina Meyhack, die außer der Reihe auch mal länger bleibt oder abends einspringt, werden dringend gebraucht. Denn auch in Baden-Baden gibt es immer mehr Familien, in denen beide Eltern arbeiten müssen.

Schließzeiten fern der Realität

Oft wird an der Wirklichkeit vorbeigeplant. „Wir haben Kindergärten in der Stadt, die bereits um 14.30 Uhr schließen. Dafür habe ich kein Verständnis. Wie sollen denn Verkäuferinnen oder Altenpflegerinnen mit kleinen Kindern mit solchen Zeiten zurechtkommen?“ Tina Meyhacks Idee: „Schichtdienst in den staatlichen Kindergärten! Andernorts gibt es zahlreiche 24-Stunden-Tagespflege-Einrichtungen. Für berufstätige Frauen wäre es wichtig, so etwas auch in Baden-Baden zu haben.“

In Baden-Baden gibt es aktuell 30 Kindergärten. Vom Schichtdienst ist man Lichtjahre entfernt. Wir haben bei der Stadt nachgefragt: „Aktuell ist um spätestens 18 Uhr Schluss, nur in der Tagespflege ist man flexibel“, heißt es beim Infodienst Kita. Doch was tun, wenn es später wird im Job? Baden-Badener Mütter pendeln täglich auch bis nach Karlsruhe, Offenburg und sogar nach Freiburg oder Frankfurt. Deshalb sind längere Öffnungszeiten dringend notwendig.

Zurzeit baut die Stadt vier neue Einrichtungen und erweitert bestehende. Laut Pressestelle sind alle Neu- und Umbauten im Stadtkreis Baden-Baden räumlich so geplant, dass Ganztagesbetrieb möglich ist. Die neue städtische Kita Keltenweg soll voraussichtlich von 7 bis 19 Uhr geöffnet haben. Das ist schon mal ein Fortschritt –aber wird eine Kita mit längeren Öffnungszeiten reichen?

Kampf um die Existenz – bei allen Beteiligten

Laut Tina Meyhack gibt es rund 50 Tagesmütter in Baden-Baden. Wertschätzung erfahren sie vor allem von den Eltern ihrer Schützlinge. Tina Meyhack: „Wer Tagesmutter werden will, kann einen Antrag beim Europäischen Sozialfonds, ESF, auf einen Zuschuss für Existenzgründer stellen. Das wird den Tagesmüttern seitens der Stadt oft nicht einmal gesagt.“ Sie hat gemeinsam mit dem Tagesmutterverband und dem Landesverband dafür gekämpft und ist auf die Straße gegangen, dass Tagesmütter statt ihres Stundensatzes eine Pauschale bekommen und Eltern ihren Bedarf nicht mehr nachweisen müssen. Seit 2013 bekommen die Tagesmütter diese Pauschale. 

„Ich wünschte, wir Tagesmütter könnten im Angestelltenverhältnis arbeiten. Dann wären wir abgesichert und müssten nicht ständig ums Überleben kämpfen. Die Mütter und Familien brauchen uns doch! Wenn sie keinen Kita-Platz bekommen oder ihre Kinder nicht lang genug betreut werden können, fehlt ein Einkommen. Doch darauf können viele Familien auch in Baden-Baden heute nicht mehr verzichten.“

Foto: FBB