„Ohren auf! Herz auf! Dann werden wird diese Zeit gemeinsam überstehen“

27März
2020

Wie gehen die Baden-Badener mit der Corona-Krise um? Hier berichten Bürgerinnen und Bürger der Stadt, wie sie diese Ausnahmesituation erleben. Heute: Viola Liesen.

Frau Liesen, wie empfinden Sie die derzeitige Situation?

Viola Liesen: „Man sieht es nicht, man fühlt es nicht, es kratzt und beißt nicht: Er schleicht sich an, der unsichtbare Feind namens Corona, dem jeder ausgeliefert sein kann. Es ist, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagt, eine Kriegserklärung, eine Attacke aus dem Nichts. Pandoras Büchse – unaufhaltsam. Natürlich macht mir das angst! In einer Zeit, in der das Leben immer perfekter, die Gesellschaft immer aufgeklärter, Wissenschaft, Natur und Technik weltweit immer ausgeklügelter erforscht werden, legt dieses Virus – zack! – innerhalb von Wochen die Welt lahm. Menschen sterben zu Tausenden, Volkswirtschaften gehen zu Bruch, Existenzen ruiniert, es gibt keine Sicherheiten mehr. Ausgeliefert zu sein, sein Leben nicht mehr selber steuern zu können, sondern von etwas Unsichtbarem gesteuert zu werden, das finde ich echt gruselig und beängstigend.“

Wie kommen Sie mit der Einschränkung bestimmter Dinge zurecht? 

Viola Liesen: „Was die persönlichen Einschränkungen angeht, die diese Pandemie mit sich bringt, da bin ich relativ entspannt. Mein Garten, Baden-Badens herrliche Natur, die Allee, alles hilft. Aber mir tun all die Millionen von Menschen, die nicht in so einer glücklichen Lage sind, leid; deren Kinder, die nicht auf die Spielplätze dürfen, Mütter, die niemanden haben, der die Kleinen in der schulfreien Zeit betreut, all die Alleinverdiener, die auf Kurzarbeit reduziert sind, die freischaffenden Künstler, die existenziell bedroht sind. Und die alten Menschen, die durch das Kontaktverbot vereinsamen. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, was für menschliche Dramen diese Situation mit sich bringt und nach sich ziehen wird.“

Welchen Hobbys gehen Sie jetzt vor allem nach?

Viola Liesen: „Ich hab mich noch nie in meinem Leben gelangweilt. Endlich komme ich dazu, alle Bücher zu lesen, die sich seit Weihnachten stapeln und mir hintereinander weg alle 24 Gesamtaufnahmen von ,La Traviata’ anzuhören. Und natürlich zwischen den Rosen und Hortensien rumzuwühlen, die Gartenstühle zu streichen, siehe Foto – was gibt’s bei Sonnenschein Schöneres!“

Wer unterstützt Sie dabei?

Viola Liesen: „Keine sozialen Kontakte, kein nettes Essengehen mit Freunden, keine Kaffeekränzchen mit Freundinnen, kein Glas Wein in gemütlicher Runde, das ist natürlich schon eine heftige Einschränkung. Kein Samstagvormittag im Café Capri, keine Shoppingtour durch die Baden-Badener Boutiquen, geschlossene Museumstüren, all diese Selbstverständlichkeiten weiß man jetzt erst so richtig zu schätzen. Dafür hat das gute alte Telefon seinen Platz am Ohr  zurückerobert. War es vor den Coronazeiten oft mit einer knappen WhatsApp-Nachricht getan, hänge ich heute wieder stundenlang am Telefon und quatsche kreuz und quer durch die Bundesrepublik. Und entdecke dabei, wie allein der oder die andere doch ist.“

Ihr Mutmacher?

Viola Liesen: „Eines hat die Situation weltweit gezeigt: Die narzisstischen Großmäuler – wie Trump, Salvini, Johnson, Bolsonaro und Co. – versagen, wenn es um existenzielle Nöte der Bevölkerung geht. Die Menschen verlassen sich im Ernstfall doch auf demokratische, seriöse, verlässliche Politiker und da bin ich von Herzen froh!“

Was regt Sie besonders auf?

Viola Liesen: „Mich regt auf, dass es immer noch Menschen gibt, die diese Erkrankung als leichten ,Betriebsunfall’ der Medizin sehen und sich über die Menschen mit Mundschutz und Handschuhen lustig machen, die Corona-Partys feiern, und zynisch von einer gesunden ,Auslese’ sprechen, wenn Alte und Kranke sterben.“

Glauben Sie, solch eine Situation hat auch einen Effekt, aus dem die Gesellschaft etwas lernen kann?

Viola Liesen: „Wie heißt  es in der Ode an die Freude? Alle Menschen werden Brüder. 2020 ist das Beethoven-Jahr. Wir feiern einen Komponisten, der zum Thema Freiheit und Menschlichkeit wunderbare Musik komponiert hat. Ohren auf, Herz auf, dann werden wird diese Zeit gemeinsam überstehen!“

Foto: FBB-Archiv