Im Trend: Länger arbeiten

31Januar
2023

Mit 57 Jahren nochmal den Job wechseln – auf die Idee wäre man vor 20 Jahren wohl nicht gekommen. Heute sieht das anders aus: Viele Menschen drücken auch jenseits der 50 nochmal den Knopf auf Neustart und entscheiden sich für einen anderen Arbeitgeber. Denn die Angestellten in Deutschland bleiben länger als bisher in Lohn und Brot.

Dass wir in Deutschland an einem Fachkräftemangel leiden, ist bekannt. Was tun? Die älteren erfahrenen Kräfte sollten laut Meinung einiger regierenden Politiker, darunter Kanzler Olaf Scholz, länger arbeiten – wenigstens bis zum Regelalter für die Rente. Doch schon jetzt gibt es mehr Menschen, die länger als zuvor in Lohn und Brot bleiben: Der Anteil der erwerbstätigen 55- bis 64-Jährigen in Deutschland ist um zehn Prozent auf 72 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Auch in der restlichen EU wird länger gearbeitet, wie das Statistische Bundesamt gerade vermeldete.

Arbeitnehmer mit höherem Bildungsniveau bleiben länger im Job

In Deutschland und der Europäischen Union sind ältere Menschen jetzt schon immer häufiger erwerbstätig. So ist in Deutschland die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen binnen zehn Jahren deutlich gestiegen: von 62 Prozent im Jahr 2012 auf knapp 72 Prozent im Jahr 2021.

Vor allem in Deutschland sind viele 55- bis 64-Jährige erwerbstätig – und in Skandinavien

Im selben Zeitraum gab es in der EU einen Anstieg der Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen von 47 auf 60 Prozent, wie das Statistische Bundesamt gerade mitteilte. Damit sind in Deutschland die 55- bis 64-Jährigen deutlich häufiger erwerbstätig als im EU-Durchschnitt. Höhere Quoten wiesen nur die skandinavischen EU-Staaten Schweden (77 Prozent) und Dänemark (72 Prozent) auf.

Das Fehlen von Fachkräften bleibt ein ungelöstes Problem

„Eine höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen wird jedoch künftig kaum kompensieren können, dass die jüngere Bevölkerung abnimmt und es dadurch deutlich weniger Erwerbspersonen in diesen Altersgruppen gibt“, erklärt Frank Schüller, Arbeitsmarkt-Experte im Statistischen Bundesamt, mit Blick auf die Fachkräftedebatte.

Arbeiten bis knapp unter 70: Auch das gibt’s

Auch jenseits der 64 Jahre hat sich der Anteil der Erwerbstätigen in kurzer Zeit deutlich erhöht. 2012 arbeiteten in Deutschland noch 11 Prozent der 65- bis 69-Jährigen. Im Jahr 2021 lag der Anteil bei 17 Prozent – und damit ebenfalls über dem EU-Durchschnitt von 13 Prozent. Ein Grund für den Anstieg in Deutschland ist die stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. In einigen EU-Staaten Nordeuropas sind die Erwerbstätigenquoten der 65- bis 69-Jährigen sogar höher als in Deutschland, allen voran in Estland mit 32 Prozent vor Lettland (29 Prozent) und Schweden (28 Prozent).

Hochqualifizierte im Alter häufiger erwerbstätig

Auch das zunehmende Bildungsniveau in vielen EU-Staaten ist ein Grund für den Verbleib älterer Menschen im Arbeitsmarkt: Höhere Bildungsabschlüsse gehen oft mit einer längeren Erwerbstätigkeit einher. In der Generation 65plus waren unter den Hochqualifizierten hierzulande 2021 noch 13 Prozent erwerbstätig, unter den Geringqualifizierten waren es 4,5 Prozent. EU-weit fällt der Unterschied ähnlich deutlich aus: 12 Prozent der Hochqualifizierten in der Altersgruppe 65plus waren hier im Schnitt noch ins Erwerbsleben integriert, bei den Geringqualifizierten waren es nur drei Prozent.

Anteil der älteren Arbeitnehmer in Mangelberufen steigt

In Deutschland hat sich in vielen Bereichen, in den Fachkräfte fehlen, die Altersstruktur in den vergangenen Jahren deutlich verändert. So war beispielsweise von den Erwerbstätigen in naturwissenschaftlich-technischen MINT-Berufen 2021 fast ein Viertel (24 Prozent) 55 Jahre und älter. 2012 waren es noch 17 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Pflege: Hier stieg der Anteil der Pflegekräfte in der Altersgruppe 55plus binnen zehn Jahren von 15 auf 23 Prozent.

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