„Es ist der blanke Horror“

31Januar
2023

Viele Familien leben in Angst: Hans Baust, wohnhaft in der Sonnenhalde, berichtet hier, wie er und zahlreiche Anwohner unter einem gewaltbereiten und offensichtlich psychisch kranken Nachbarn leiden. Trotz vieler Briefe haben die örtlichen Behörden noch nicht durchgegriffen. Der Terror geht weiter. Wir haben mit Hans Baust gesprochen.

Hans Baust ist ein Mann, der seine Gedanken ordnet, bevor er spricht. Er wählt seine Worte mit Bedacht und strahlt Ruhe aus. Der Ingenieur hat viele Jahre im Management bei Mercedes Benz in Rastatt gearbeitet. Und sich dann auf seinen Ruhestand gefreut. Doch ein Nachbar macht ihm und vielen Anwohnern nun schon seit einem Jahr das Leben schwer. „Es ist ein heißes Eisen, das Funken sprüht“, sagt er zu Anfang unseres Gesprächs. „Der Terror und die Störung der öffentlichen Sicherheit im Bereich Sonnenhalde/Traubenstraße haben unzumutbare Ausmaße angenommen. Ein Nachbar bedroht, beleidigt und beschädigt fremdes Eigentum, im gesamten Viertel. Rund 30 Familien leben in Angst und Schrecken, finden weder am Tag noch nachts Ruhe.“

Ein Umbau brach einen Streit vom Zaun

Doch der Reihe nach. „Wir sind vor rund zehn Jahren in die Sonnenhalde gezogen. Bereits im Jahr 2000 haben wir ein Häuschen am Hardtberg gekauft und darauf noch ein Stockwerk gesetzt. Dagegen hat eine Familie in der Nachbarschaft Einspruch erhoben. Die Sache kam vor das Oberverwaltungsgericht, drei Richter erschienen vor Ort. Unser Vorhaben wurde jedes Mal als rechtens beurteilt.“ Das Haus wurde aufgestockt, der Clinch mit der Familie blieb.

Mit dem Sohn fing der Ärger erst richtig an

„Doch dann fiel die Nachbarsfamilie auseinander. Der Mann kam in ein Seniorenheim, seine Frau lebt heute auf den Kanaren. Irgendwann ist dann der Sohn im Elternhaus eingezogen. Und dann fing der Ärger erst richtig an. Es fiel uns auf, dass es aus seiner Ecke stark nach Cannabis roch. Viele Männer gingen dort ein und aus.“

Rohe Beschädigung

Den Nachbarn deshalb anzuzeigen, das wollte Hans Baust nicht. Er wollte eine gute Nachbarschaft. „Doch irgendwann fing der Mann an, bei uns Pflanzen auszureißen, die am Grenzzaun standen. Ich habe ihn daraufhin zur Rede gestellt. Er sagte, er würde sie immer wieder herausreißen. Ich drohte ihm mit einer Anzeige.“

Lautes Brüllen, auch in der Nacht

Bald war klar, dass der Übeltäter reichlich Alkohol konsumiert. „Der Nachbar ist fast immer mit einer Bierflasche unterwegs und meist kaum mehr ansprechbar“, berichtet Hans Baust. „Das Schlimmste ist aber, dass er schreit – und damit Kinder, Nachbarn, Passanten erschreckt. Diese Schrei- und Brüllszenen dauern manchmal den ganzen Tag an. Dabei blieb es aber nicht. Irgendwann hat er angefangen, auch in der Nacht zu brüllen, eine halbe Stunde aus dem Fenster heraus und hat die Leute aus dem Schlaf geschreckt. Auch die Kinder finden keine Ruhe mehr. Er brüllt oft derbe Wörter wie Hurensohn und noch schlimmere Dinge. Schon oft kam die Polizei, doch der Erfolg hielt nur kurz.“

Viele Familien leben in Angst

Auch andere Personen leiden unter dem offensichtlich verhaltensauffälligen Mann. Hans Baust: „Er drangsaliert viele Menschen im Viertel. Einen Mann hat er mit einer Axt bedroht. Er hat seinen Autoanhänger beschädigt und diesen die Straße runterrollen lassen. Dieser ist dann in ein Auto gerast. Bei einem anderen Nachbar hat er den Mülleimer genommen und diesen auf einem Auto entleert. Insgesamt hat der Übeltäter Sachschäden in Höhe von über 10.000 Euro zu verantworten. Es gibt bestimmt rund 20 Anzeigen gegen diesen Mann. Manchmal ist die Polizei mehrmals am Tag gekommen. Sie hat versucht, ihn zu beruhigen, was aber nicht gelang. Die Polizei ist machtlos. Das müsste eine andere Stelle regeln.“

Attacken mit Bierflasche und Drohungen

Die Angriffe auf Hans Baust und sein Eigentum nahmen immer schlimmere Formen an. „Er hat mit Stangen unsere Hausfassade beschädigt, Löcher hineingebohrt. Darauf gab es eine Gerichtsverhandlung. Die Anzeige wurde allerdings eingestellt. Ein anderes Mal hat dieser Mensch versucht, unsere Haustür einzuschlagen. Er wollte mit der Bierflasche auf mich losgehen. Dann habe ich Pfefferspray gesprüht. Daraufhin hat er seine Aktivitäten noch verstärkt. Er hat mehrfach Tötungsabsichten ausgesprochen: ,Ich werde dich erschießen‘, ,dich abschlachten`. Einmal wurde er abends von der Polizei abgeführt und über Nacht wohl in eine Klinik gebracht. Morgens war er dann wieder da und hat mir den Mittelfinger gezeigt.“

Mit dem Feuer gedroht

Auch ein Feuer hat der Nachbar entzündet, vor seiner eigenen Haustür, „mit den Worten: ,Ich brenne dein Haus ab‘. Dann hat eine Nachbarin die Polizei gerufen und die Feuerwehr, die den Brand gelöscht hat.“

Kein Erfolg bei der Staatsanwaltschaft

Mittlerweile richten sich die wüsten Beschimpfungen auch gegen Bausts Frau Tina. „Wir haben im Garten gearbeitet. Dann stand der Nachbar plötzlich hinter die Ecke und sagte zu meiner Frau sehr obszöne Dinge (Anmerkung der Redaktion: Der Wortlaut ist bekannt, wird hier aber nicht zitiert). Das haben wir zur Anzeige gebracht, wegen sexueller Nötigung. Doch die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt.“

Angst, aus dem Haus zu gehen

Hans Baust hat eine Unterschriftsliste mit rund 25 Unterschriften zusammengetragen, sie liegt FOKUS Baden-Baden vor. Darauf ist in Stichworten notiert, wer wie durch den unseligen Nachbarn provoziert oder bedroht wurde. Die Folge: Kinder wollen nicht mehr auf der Straße spielen – aus Angst. „Er bespuckt und bewirft Menschen und Häuser mit fauligen Bananen oder Kaffeepulver. Die Leute haben Angst, abends aus ihren Häusern zu gehen“, fasst Baust zusammen.

Das Ordnungsamt – ohnmächtig

Baust adressierte in seiner Not einen Brief an Mats Tilebein, Leiter des Baden-Badener Ordnungsamtes. „Ich habe dort auch mehrfach angerufen. Er hat sich erst nach drei Monaten gemeldet und gesagt, man habe hier keine Möglichkeiten. Ich frage mich: Warum tun die Behörden nichts?“

OB Späth lässt auf sich warten…

„Im Wahlkampf hat mir Herr Späth noch gesagt, natürlich würde er sich um die Anliegen der Bürger kümmern. Ich habe ihm also einen Brief geschrieben, eine knappe Seite, vor vier Wochen, mit der Bitte um einen Gesprächstermin. Seine Sekretärin meldete sich und sagte, der OB lasse unseren Fall prüfen. Daraufhin habe ich an diesem Montag nachgehakt und gefragt, ob es eine Terminaussicht gebe. Doch es gibt keinen Gesprächstermin. Dabei ist das eine Situation, die sich nicht von allein löst. Meine Frau hat mittlerweile furchtbare Angst. Sie träumt schon von dem Gebrüll. Unsere Enkelkinder können wir nicht mehr in unserem Garten spielen lassen.“

…und reagiert verhalten

Am vergangenen Freitag hat OB Späth dann geantwortet: Es werde „stets sorgsam geprüft, ob Maßnahmen nach dem Gesetz für Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten möglich sind. Hierbei ist der vom Gesetzgeber vorgegebene Rahmen sehr begrenzt, da in hochrangige Grundrechte eingegriffen wird.“ Und er versicherte, „dass wir alles unternehmen, was im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben möglich ist, um Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu ahnden und auch präventiv zu verhindern.“ Eine konkrete Lösung des Problems mit dem schwierigen Nachbarn wird damit immer noch nicht in Aussicht gestellt. Die Angst, sie bleibt.

Hilferuf an die FBB

Doch ein Fünkchen Hoffnung auf eine Lösung bleibt noch. Jetzt hat sich Hans Baust an Martin Ernst, Chef der FBB, gewandt. „Ich habe den Eindruck, der macht seinen Job und kümmert sich. Ich merke, wie er agiert, damit bin ich hochzufrieden.“ Martin Ernst informierte FOKUS Baden-Baden und goodnews4 über den Vorfall. Beide Medien gehen der Sache nun nach.

Hans Bausts Resümee fällt trist aus

„Ich hätte nicht geglaubt, dass die Behörden die Bürger derart im Stich lassen. Die Polizei war in den letzten zehn Monaten bestimmt 15 bis 20-mal vor Ort. Ohne eine sichtbare Konsequenz. Unser zigfaches Hilfeersuchen bei Polizei, Staatsanwaltschaft, städtischem Fachbereich für Sicherheit und Ordnung bleibt unbeantwortet. Getan wird nichts, obwohl es viele betroffene Menschen gibt. Das Problem wird ausgesessen, bis was Schweres passiert und das ist nur eine Frage der Zeit. Drogen- und Alkoholsüchte können unberechenbar sein – und zu allem fähig. Sie müssten therapiert, begleitet werden, alleine packen sie das nicht. Mit Nichtstun wird das Problem sicher nicht gelöst. Ich verstehe nicht, dass hier niemand eingreift. Wir leben hier in einer ständigen Bedrohungs-Situation. So kann es nicht weitergehen.“

FOKUS Baden-Baden wird in dieser Sache weiter berichten.

Fotos: H. Baust