FBB-Fraktionschef Martin Ernst: "ein klares NEIN zum weiter so."

01Oktober
2025

Ein Jahr Haushaltssperre in Baden-Baden. Aber noch immer fehlt ein schlüssiger Plan zur Rettung unserer Stadt. FBB-Fraktionschef Martin Ernst macht das jetzt nicht mehr mit. FBB News hat mit ihm gesprochen:

 
 
Vor knapp einem Jahr hat der Gemeinderat mehrheitlich die Haushaltssperre beschlossen und es damit sogar bis in die Tagesthemen geschafft. Was ist seitdem passiert und wie geht es jetzt weiter?

Martin Ernst: Eine Haushaltssperre sollte eigentlich zeitlich eng befristet sein, denn sie schränkt die Handlungsfähigkeit der Verwaltung und der Stadt extrem ein. Ich sehe aber zur Zeit nicht, wie wir mit eigener Kraft aus dem Schlamassel rauskommen können. Die FBB hat seit vielen Jahren vor den dramatischen Folgen der Schuldenpolitik gewarnt. Leider haben wir im Gemeinderat nicht die Mehrheit, um einen Konsolidierungskurs zu erzwingen. Die Mehrheit aus CDU, GRÜNEN und SPD hat das stets verhindert und trotz Haushaltsperre noch Traumtänzer-Projekte wie die 130-Millionen-Feuerwache oder den vierten Bürgermeister durchgesetzt.

 
Wie hoch ist das Defizit im Haushalt der Stadt genau?

Martin Ernst: Die Haushaltssperre wurde vor einem Jahr beschlossen, weil unser Kämmerer 2025 ein strukturelles Defizit von annähernd 50 Mio. € festgestellt hat. Er war sogar der Meinung, dass dieses strukturelle Defizit in den nächsten Jahren weiter anwachsen wird.

Die vom Kämmerer vor einem Jahr genannten Zahlen bedeuteten ein Minus von 130 Tsd. € pro Tag. Wohlgemerkt sind diese 130 Tsd. € nicht unsere Ausgaben pro Tag. Die täglichen Ausgaben der Stadt liegen nämlich bei rd. 900 Tsd. €. Wir leben jeden Tag mit 130 Tsd. € über unsere Verhältnisse – Tag für Tag! Heute, morgen, am Freitag, dem Tag der Deutschen Einheit und auch am folgenden Samstag und Sonntag.

 
Was hat sich seit dem Oktober 2024 getan?

Martin Ernst: Der Gemeinderat gründete eine Haushaltskommission mit Vertretern der Stadtverwaltung und Mitgliedern der Gemeinderatsfraktionen. Ein halbes Jahr lang hat diese Kommission oft tagelang beraten, wie die Finanzen der Stadt saniert werden könnten. Der im Mai präsentierte „Konsolidierungskatalog“ hat aber mit dem Wort „Sanierung“ wenig bis nichts zu tun. Stichwort: Hundekotbeutel und Friedhofspflege.

Erschwerend für unsere Stadt kam dazu, dass der Gemeinderat Ende Mai kurzerhand gegen unsere Stimmen entschieden hat, die Beratung über diese Sparmaßnahmen in den Oktober zu verschieben. Hochgerechnet bedeutet das: in den fünf Monaten Juni, Juli, August, September und Oktober hat sich die Schuldenlast der Stadt um weitere 20 Mio. € vergrößert. Unterstellen wir einen Zinssatz von 4 %, sind das 800 Tsd. € Zinsen / Jahr allein für diese Verschiebung. Damit könnten wir die Kostenerhöhung für die Kita-Gebühren locker auffangen.

 
Was ist denn das Konzept der FBB?

Martin Ernst: Sie kennen sicher das Pareto-Prinzip mit der berühmten 80:20-Regel. Sie besagt – und fast jeder Bürger wird das aus seiner eigenen Lebenserfahrung bestätigen können - dass man 80% der Ergebnisse mit 20% des Aufwands erreichen kann. Anders ausgedrückt: Wer 50 Mio. € pro Jahr sparen muss, darf nicht mit Hundekotbeuteln anfangen, sondern muss die richtig großen Brocken anpacken. Und das sind nun einmal die drei Bereiche

  • Klinikum
  • Verwaltung
  • Soziales

Ich erkenne kein Konzept der Verwaltung oder des Gemeinderats, das diese Brocken in Angriff nimmt. Allein das marode Klinikum kostete uns 2024 12 Mio. €, 2025 steigt das Defizit dramatisch auf über 20 Mio. € an. Die Stadt muss schnellstens aus dem sinkenden Schiff der Klinikgesellschaft aussteigen. Stattdessen fantasiert man weiter vom Großklinikum in Rastatt, das wir uns schon lange nicht mehr leisten können.

 

Ihre Kritik richtet sich an die Mehrheiten im Gemeinderat

Martin Ernst: Ja, leider. Wir haben einen Gemeinderat, der das Wort „Ratgeber“ nicht verdient – das Gegenteil ist der Fall. In dieser für unsere Stadt so schicksalhaften Zeit versagt der Gemeinderat total. So darf es unter keinen Umständen weitergehen. Wir sind als FBB selbstverständlich dabei, wenn es um Anstrengungen geht, die Unabhängigkeit der Stadt Baden-Baden zu erhalten. Wir erkennen aber in keinster Weise, dass der Gemeinderat und die Stadtverwaltung das große Ganze im Auge hat. Deswegen fordern wir bevor wir an Einzelmaßnahmen herumdoktern, dass ein Gesamtkonzept vorgelegt wird. Das ist derzeit nirgends zu erkennen.

 
Wie wird die FBB denn jetzt als Opposition reagieren? Opposition ist doof, hat Franz Müntefering mal gesagt.

Martin Ernst: Da hatte der ehemalige Vizekanzler leider recht. Eigentlich bräuchten wir angesichts der Dramatik Neuwahlen zum Gemeinderat. Leider sieht die Baden-Württembergische Verfassung das nicht vor. Deswegen werden wir vorläufig jede Gebührenerhöhung und jede andere Erhöhung ablehnen. Erst wenn wir ein Gesamtkonzept sehen, das diesen Namen tatsächlich verdient, werden wir wieder alle dafür notwendigen Beschlüsse und Maßnahmen mittragen. Momentan bezahlt und büßt der Bürger für die Handlungsunfähigkeit unseres Gemeinderats.  Das darf so nicht weitergehen.

 

Stellungnahme der FBB-Gemeinderäte Kurt Jülg und Rainer Lauerhass zur Übertragung der Gemeinderatssitzungen im Live-Stream

    

Rainer Lauerhass                   Kurt Jülg

FBB-Gemeinderat                     FBB-Gemeinderat

 

Jeder Bürger hat das Recht, den öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats beizuwohnen und die Entstehung einer Entscheidung zu verfolgen. Durch die Zuschauer-Tribüne im Gemeindesaal ist diese Möglichkeit gegeben. Seit einiger Zeit werden Sitzungen des Gemeinderats per Live-Stream übertragen damit die Bürger die Sitzungen auch ohne persönliche Teilnahme verfolgen können. Wie mehrere andere Gemeinderäte, haben auch die Unterzeichner dieser Stellungnahme die Übertragung im Live-Stream abgelehnt. Ihre Äußerungen in den Sitzungen wurden daraufhin im Live-Stream unkenntlich gemacht.

 

Die Gründe für die bisherige Ablehnung:

  • Die Möglichkeit der Teilnahme ist, wie oben dargestellt, jedem gegeben und bedarf aus unserer Sicht keiner weiteren Erleichterung.
  • Wir haben im Augenblick genug Kosten. Vermeidbare Kosten müssen als erstes gestrichen werden.
  • Durch die Vorberatungen in den i.d.R. nicht-öffentlich tagenden Ausschüssen ist die Entscheidung nicht immer nachvollziehbar, wenn man nur die Redebeiträge im Gemeinderat kennt.
  • Außerdem ist Information eine Holschuld und keine Bringschuld

 

Die Gründe für die Revidierung dieser Entscheidung:

Die technischen Möglichkeiten haben sich weiterentwickelt. Online-Sitzungen haben wir in der Corona Periode geübt. Diese Technik steht den meisten Bürgern zur Verfügung.  Es ist also gerechtfertigt, die technisch gegebenen Möglichkeiten zu nutzen und sie dem Bürger zugänglich zu machen. Unsere Redebeiträge im Gemeinderat können deshalb ab sofort im Live-Stream übertragen werden.