Disharmonie in Europa keine Chance geben

19Mai
2020

Corona hat eine große Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Doch auch den Umgang mit unseren europäischen Nachbarn sollten wir schützen, fördern und pflegen, damit Europa nicht aus dem Ruder läuft. Ein Kommentar von Kurt Wallocha, FBB.

Operation gelungen – Patient tot?

„Vielleicht etwas übertrieben: Aber wenn man sich in Deutschland und auch in Europa umschaut, und was man so hört und liest, kann einem für die Wirtschaft europaweit Angst und bange werden.

Wir waren satt und bräsig

Wir alle haben ja in den vergangenen Jahren einen permanenten Aufschwung miterlebt und im Traum nicht daran gedacht, dass diese Situation einmal schlagartig vorbei sein kann. Geben wir es zu: Wir waren satt und vielleicht auch schon ein bisschen dekadent und bräsig. So nach dem Motto: ,Einigkeit und Recht auf Freizeit.’

Ein bisschen stolz auf das, was wir erreicht haben

Umso erstaunlicher ist es, dass wir alle in der Zeit der Pandemie geschlossen und diszipliniert die Vorgaben der Regierung befolgt und mitgetragen haben. Es gab eine Welle der Hilfsbereitschaft, wie sie noch nie da gewesen ist. Nicht nur der Staat hat alles getan, auch im privaten Bereich konnte man täglich bundesweit nur staunen, was alles getan wurde, um das Leben derjenigen zu erleichtern, die besonders betroffen sind. Deswegen dürfen wir auch ein bisschen stolz sein, auf das, was wir bis heute erreicht haben.

Doch was ist, wenn die Pandemie mal vorüber sein sollte?

Verfallen wir dann wieder in alte Gewohnheiten, die mich daran erinnern, wie schnell nach einem schlimmen Verkehrsunfall wieder Gas gibt, obwohl man den Schock noch nicht ganz verdaut hat?

Disharmonie in Europa als große Gefahr

Es werden große Anforderungen auf uns zukommen, um die Wirtschaft wieder einigermaßen flott zu bekommen. Eine längere Rezession mit den Begleiterscheinungen der Inflation gilt es nach einer Anlaufzeit zu überwinden. Große Gefahren sehe ich persönlich für Europa. Was sich da zur Zeit an Disharmonie aufgebaut hat, kann einem Anlass für allerhöchste Sorgen geben.

Wir haben den europäischen Nachbarn viel zu verdanken

Natürlich geht es wie immer um das liebe Geld. Das Stichwort sind die von den Südländern, besonderes von Italien, geforderten Eurobonds. Natürlich sind gemeinschaftliche Schulden immer mit einem Risiko verbunden. Aber Italien hat auch sehr viel unter Corona gelitten. Aber was haben wir Italien und auch Spanien nicht alles zu verdanken: Rimini, der Gardasee und die Costa Brava sind ja praktisch zu Wallfahrtsorte für deutsche Urlauber geworden. Denken wir an Venedig als Pflichtreise für alle Verliebten, und nicht zuletzt die wunderschöne Musik: Verdi und Puccini seien hier stellvertretend genannt.

Untragbare Beschimpfungen, adressiert an Franzosen

Ich denke an Frankreich, wir haben es Samstag vor dem Theater bei der Veranstaltung von Pulse of Europe gehört: Robert Schumann war einer der Stammväter der deutsch-französischen Freundschaft. Denken wir an Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die einen Freundschaftsvertrag unterschrieben haben. Denken wir auch an Helmut Kohl, der mit den französischen Freunden den Grundstein gelegt hat für den Euro. Und wenn ich dann überlege, wie man sich zur Zeit an den Grenzübergängen unflätig beschimpft! Diese Schwachköpfe wissen nicht, was sie damit anstellen. Eier werfen auf französische Autos – so etwas bleibt in Erinnerung. Nicht die Krankentransporte von französischen in deutsche Kliniken mit Corona-Kranken.

Die Nutznießer der Konflikte? Die Rechtsradikalen!

Gebt den Südländern bitte, meinetwegen mit ein paar Auflagen, die verlangten Eurobonds. Es kann nicht sein, daß die Deutschlandfeindlichkeit so weit kommt, dass man in Italien deutsche Fahnen verbrennt und man deutschen Urlaubern die Reifen durchsticht. Denn eines ist vor allen Dingen zu beachten: Die Nutznießer dieser Konflikte dürfen auf keinen Fall die Rechtsradikalen wie Herr Salvini sein. Einer, der sich ganz besonders freuen würde, ist natürlich Herr Putin, denn aus lauter Selbstlosigkeit hat er Italien bestimmt keine Masken und anderes medizinisches Material geschenkt. Im Übrigen glaube ich nicht daran, dass so selbstbewusste Länder wie Italien, Spanien und Frankreich von Deutschland Geschenke annehmen und nicht in absehbarer Zeit wieder zurückzahlen. Es sei denn, man hat es mit Herrn Salvini zu tun.

Klage gegen den deutschen Staat

Lasst mich zum Schluss noch auf die Diskussion unserer Verfassungstrichter mit der EZB kommen. Das ist nun wirklich der völlig falsche Zeitpunkt. Einfach lächerlich, dass nun Frau von der Leyen gegen den deutschen Staat klagt. Da kann man man sich nur an den Kopf fassen.

Ende gut, alles gut? Na, hoffentlich!

Also: ,Operation gelungen, Patient lebt’ und er wird auch wieder gesund. Bleiben wir optimistisch. Bleibt bitte alle gesund und munter, und denkt daran: ,Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.’ Das ist nicht von mir, aber auch nicht von Goethe.“

Anmerkung der Redaktion: Der Satz stammt von Erich Kästner.

Foto: FBB-Archiv