Die Würde eines Ortes wiederherstellen: in Baden-Baden nicht möglich?

28Februar
2020

Das Wort Würde ist ein wertvoller Begriff – um die Würde zu kämpfen, ein ehrbares Anliegen. Auch, wenn es um einen Ort geht. Ein Kommentar von Cornelia Mangelsdorf.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, heißt es in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Zum Glück gibt es diesen Artikel 1. Seit 1949. Diese Würde nach den Greueltaten des 2. Weltkrieges festzuschreiben in die DNA unserer damals entstehenden Bundesrepublik, war sicherlich ein hartes Stück Arbeit. Noch ein paar Jahre zuvor wurde Millionen von Menschen auf schrecklichste Weise durch Nazi-Verbrechen erst die Würde, dann das Leben genommen.

Nur ein Gedenkstein erinnert auf dem Parkplatz an die Synagoge

Auch bei Orten spricht man von Würde. Die einstige Synagoge in der Stephanienstraße wurde 1938 von den Nazis niedergebrannt. Heute befindet sich an diesem Ort der Parkplatz des BT. Nur ein Gedenkstein, an dem oft Blumen oder Kerzen niedergelegt werden, erinnert an das jüdische Gotteshaus; und viele Stolpersteine, direkt gegenüber auf dem Gehsteig, an die verschleppten Juden. Erinnern, das muss sein!

Jüdisches Leben sichtbar machen – darauf setzt Hamburg

Die Diskussion, ob eine Synagoge wieder an ihrem Ursprungsort erbaut werden sollte, führt man, zumindest in der Hansestadt Hamburg, ganz offen. Dort gibt es Pläne, die große Synagoge wiederaufzubauen, am Bornplatz im Grindelviertel, nahe der Universität. Eine Machbarkeitsstudie läuft. In Hamburg ist man sich bewusst, dass es heute nur noch wenige sichtbare Zeichen jüdischen Lebens in der Stadt gibt. Deshalb gibt es Bestrebungen, sie wieder herzustellen. Man will – ein Zeichen setzen.

Absage für eine Synagoge in der Innenstadt

Damit tut man sich in Baden-Baden schwer. Über die liberale und offene Art der Hamburger verfügen die politischen Entscheider nicht. Oberbürgermeisterin Margret Mergen hat den Juden der Kurstadt eine Absage erteilt: Im Stadtgebiet sei kein Grundstück für den Bau einer neuen Synagoge zu finden. Die Interessen der Eigentümer des Parkplatzes scheinen da vorzugehen. Diese lehnen Anfragen nach einem Gespräch mit den Juden ab, die einen würdevollen Umgang mit dem Grundstück fordern.

Anfeindungen gegen jüdische Bürger

Ist ein Parkplatz ein würdiger Ort? Sicher nicht. Ist Baden-Baden eine liberale Stadt? Wenn man die Anfeindungen anschaut, die es jüngst auf Facebook gegen einen jüdischen Mitbürger gab? Sicher nicht. goodnews4.de berichtete über einen „erkennbar fremdenfeindlichen Ton, der sich gegen ihn als ,Russen’richtete“. Gemeint ist Leonid Gorelik, Mitglied des Aktionskreises Neue Synagoge Baden-Baden, der sich „in einer Facebook-Gruppe zur Wehr setzte. Unterstützung erhielt er in der Facebook-Gruppe nicht, die sich Baden-Baden gegen Rassismus, Ausgrenzung und Fremdenhass nennt...Es ging um Behauptungen in Zusammenhang mit dem Grundstück der 1938 von den Nazis niederbrannten Synagoge, die der jüdische Bürger Leonid Gorelik richtigstellte. ,Das Grundstück ist nicht im Besitz der IRG (Anmerkung der Redaktion: Israelitische Religionsgemeinschaft Baden) und damit Basta. Enteignung ist ja gottlob nicht mehr so richtig möglich. Für einen Russen schwer zu verstehen. Aber so ist das nun mal’, schlug es ihm in dieser Gruppe gegen ,Ausgrenzung und Fremdenhass’ entgegen.“

Gorelik hatte in seinem Facebook-Post darauf hingewiesen, dass sich die Baden-Badener Eigentümer-Familie des zum BT gehörenden Parkplatzes 1955 verpflichtet hatte, das besagte Grundstück nicht für ,profane Zwecke’ zu nutzen. Gorelik, dessen Vorfahren vor den Nazis fliehen mussten, blieb in seinen Facebook-Posts sachlich – und erntete Hohn und Spott.

Statement gegen Hass

Die Souveränität im Umgang mit dem Thema Wiederaufbau der Synagoge an einem würdigen Ort sucht man hier vergebens. Man spürt stattdessen Ignoranz, auf Facebook sogar Spott. Mir spricht der Schauspieler Lars Eidinger aus der Seele, mit seinem Statement gegen Hass, das er mit stockender Stimme bei der Berlinale herausbrachte: „Ich finde, unsere Gesellschaft ist so dermaßen vergiftet, was Hass uns Missgunst angeht.“ Er erinnerte an einen Text des Schriftstellers Stefan Zweig, in dem es um die „moralische Entgiftung Europas“ nach dem Ersten Weltkrieg gegangen sei. Darin habe Zweig nach einem Medium verlangt, das die Menschen wieder zusammenbringe. „Das Internet ist ja genau dieses Medium, es wird aber genau für das Gegenteil genutzt“, so Eidinger. In dem geschilderten Fall kann man sagen: Wie recht er hat.

Foto: Ben Becher