Kann der KVV nur teuer?

01Juni
2021

Der Karlsruher Verkehrsverbund erhöht die Preise: Fast vier Prozent mehr müssen die Gäste in Bus und Bahn in der Kurstadt künftig mehr berappen. Ein Signal, das in die falsche Richtung geht. Kommentar von Cornelia Mangelsdorf.

Ab August 2,80 Euro löhnen für eine Einzelfahrkarte, statt bislang 2,60 Euro – ja geht’s bitte noch? Der KVV langt bei seinen Preisen ordentlich hin; was sicher nicht dazu beitragen wird, dass mehr Menschen künftig auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen werden. Und wenn, dann nur mit Verdruss: 2,80 Euro – davon kann man sich ein belegtes Brötchen kaufen, was für Schüler oder Studenten gut und gern ein Mittagessen bedeuten kann. Auch Erwachsene ohne Auto sind auf Bus und Bahn angewiesen. Und oft sind es diejenigen, die sich eben auch kein Auto leisten können. Ihnen werden auch 20 Cent pro Einzelticket wehtun, summiert sich diese Mehrausgabe doch schnell monatlich zu einem zweistelligen Euro-Betrag auf.

Die Unzufriedenheit wächst

So wird also auch diese Erhöhung vor allem eines erzeugen: Ärger. Und vielleicht sogar eine Absage an den öffentlichen Personennahverkehr. Ein Angebot attraktiver machen – das ist in der freien Wirtschaft eine goldene Regel für alle, die ein Produkt erfolgreich lancieren wollen. Doch davon kann hier keine Rede sein. Da nützt es auch nichts, dass sich der KVV die ach so fancy klingende „Home-Zone“ oder den „e-Tarif“ ausgedacht hat; beides digitale Tarife, die ab Dezember gelten sollen.

Weniger Nachfrage, höhere Kosten

Keine Frage: Der ÖPNV hat unter der Corona-Krise erheblich gelitten. Homeoffice und Homeschooling haben nicht gerade dazu beigetragen, dass mehr Bus gefahren wurde, im Gegenteil: Viele Eltern oder Arbeitnehmer haben lieber in neue Fahrräder investiert, anstatt sich mit anderen Fahrgästen in einen Bus zu setzen. Die Fahrradhersteller jubeln, machen Spitzenumsätze. Und dieser Trend wird auch weitergehen, zumal viele Arbeitgeber mittlerweile auf Fahrradleasing für ihre Mitarbeiter setzen.

Es fehlt an Ideen

Statt phantasielose Preiserhöhungen zu fahren, wären langsam mal Innovation gefragt. Die Bürger ächzen aktuell doch schon sowieso unter allerhand Preiserhöhen: Obst und Gemüse kosten mehr, Strom- und Heizkosten und so weiter.

Ulm weiß, wie es geht

Ein Blick nach Ulm zeigt, wie man den ÖPNV attraktiv machen kann: Dort ist das Fahren mit Bus und Straßenbahn zumindest samstags kostenlos, wie auch in Tübingen. Der Gemeinderat in Ulm hat der Verlängerung dieses Projekts, Ende 2019 in die Verlängerung geschickt. Bis Ende 2022 soll es damit weitergehen. Überflüssig zu erwähnen, dass dieses Angebot bei Bürgern wie Besuchern gleichsam beliebt ist. Und die Stadt Ulm erntet dafür viel Anerkennung, kommt sie doch für die fehlenden Einnahmen in Höhe von rund einer Million Euro auf, die dem Verkehrsverbund dadurch jährlich entstehen.

Kostenlos fahren? Geht doch!

Mal nicht nur nehmen, sondern den Bürgern auch etwas geben: Das ist keine Utopie. Als erstes Land weltweit hat Luxemburg 2020 die Kosten für Bus, Bahn und Tram abgeschafft, FOKUS Baden-Baden berichtete.

Viele Städte machen’s vor

Einige Städte testen Gratisangebote schon länger. So etwa Estlands Hauptstadt Tallin. Dort ist der Nahverkehr schon seit 2013 kostenlos. Auch in Aubagne in Frankreich ist seit Mai 2009 Busfahren kostenlos sowie auf diversen zentralen Achsen der Küstenstadt Biarritz. Im englischen Manchester gibt es immerhin drei Buslinien, in die man umsonst einsteigen darf.

Monheim am Rhein in Nordrhein-Westfalen setzt seit April 2020 innerhalb der Stadt auf kostenlosen Nahverkehr. Den Pass können alle 44.000 Einwohner gratis nutzen. Das Projekt gilt auch in der Nachbarstadt Langenfeld. Das Projekt ist erstmal auf drei Jahre angelegt.

Werbung in eigener Sache – mit Gratisangeboten

Schön wäre, wenn sich auch der KVV mal dazu aufraffen könnte, die Fahrgäste zu begeistern. Und sie an ausgewählten Tagen auch mal kostenlos zu befördern. Das wäre eine gute Investition in Sachen Eigenmarketing, würde auch die Städte mit Besuchern füllen und könnte vielleicht so manchen Auto- oder Radfahrer auf den Geschmack bringen, doch noch auf den ÖPNV umzusteigen. Und zwar ganz ohne Verdruss.

Foto: pixabay.com/MAILAI