Wo sollte die neue Synagoge gebaut werden?

15März
2018

Der Streit um den Platz für den Neubau der Synagoge in Baden-Baden eskaliert. Aber noch könnte umgesteuert werden.

Nachdem nun öffentlich ist (durch Goodnews4), was im Kaufvertrag des Grundstückes der alten (verbrannten und zerstörten) Synagoge steht, stellt sich die Frage völlig neu, wo die neue Synagoge gebaut werden sollte.

1. Das Unternehmen Badisches Tagblatt hat 1955 von dem Rechtsträger der jüdischen Gemeinde in Baden-Baden das Grundstück der alten Synagoge erworben, für 50.000,- DM, ein Schnäppchen. Allerdings erklärt sich dieser auch für damalige Nachkriegszeiten üb erraschend freundliche Preis dadurch, dass der Käufer, also der Eigentümer des Badischen Tagblatts, eine Klausel akzeptieren musste: „der Käufer verpflichtet sich ferner, das Kaufgrundstück nicht zu profanen Zwecken zu verwenden“. Das heißt: der Käufer wusste, das Grundstück blieb nach wie vor ein geweihtes Grundstück, denn hier stand bis 1938 die geschändete alte Synagoge, und das Grundstück durfte nun nicht profaniert, das heißt: verweltlicht werden. Heute ist das Grundstück an der Stephanienstraße ein banaler, weltlicher Parkplatz für die Redaktion des BT.

2. Die jetzige Nutzung des Grundstückes widerspricht dem Kaufvertrag,wonach es nicht zu profanen Zwecken (z.B. Parken) benutzt werden darf. Das weiß natürlich auch das BT, das bis heute über den Streit um den angemessenen Bauplatz für die neue Synagoge nie berichtet hat. Nun gibt es in der neuen jüdischen Gemeinde Streit über den Ort des Neubaus der Synagoge. Dieser Streit geht Außenstehende nichts an, aber er betrifft natürlich auch die moralische Verpflichtung der Stadt Baden-Baden, die richtigen Lehren aus ihrer Geschichte zu ziehen, das heißt: aus der Vertreibung der alten jüdischen Gemeinde aus Baden-Baden nach der Schändung ihrer Synagoge. Die neue jüdische Gemeinde wollte ursprünglich sehr wohl auf dem ehemaligen Grundstück an der Stephanienstraße bauen und würde es bis heute immer noch tun, wenn es ginge. Doch die Eigentümer des BT verweigerten einen Rückkauf, obwohl sie eigentlich den sakralen Charakter des Grundstückes nicht antasten dürfen. Es dürfen dort weder ein Parkplatz unterhalten noch Neubauwohnungen gebaut werden, geht es nach dem Vertrag von 1955.

3. Vor diesem Hintergrund sind die Freien Bürger für Baden-Baden (FBB) grundsätzlich dafür, den Plan des Neubaus der Synagoge an der Fürstenbergallee (direkt am Zubringer!) zu überdenken, und es der jüdischen Gemeinde heute wieder zu ermöglichen, an der Stephanienstraße ihre Synagoge zu bauen. Die Stadt Baden-Baden sollte diese Verhandlungen für die jüdische Gemeinde führen. Sehr viele Bürger Baden-Badens haben sich in den letzten Wochen diesbezüglich zu Wort gemeldet: sie finden, noch könnte alles zum Guten gewendet werden. Noch können die Eigentümer des Badischen Tagblattes zur Vernunft gebracht werden. Noch kann man der neuen jüdischen Gemeinde ihren ursprünglichen Wunsch, am alten Ort zu bauen, erfüllen (denn das wollten sie ursprünglich sehr wohl). Es ist doch inzwischen sogar klar, dass das Grundstück Stephanienstraße sowieso nicht mehr vom BT gebraucht wird, denn das BT zieht in absehbarer Zeit hinter den Bahnhof um. Noch kann die Frau Oberbürgermeisterin endlich umdenken, und sich entsprechend der Geschichte ihrer Stadt verhalten.

4. Und warum das alles? Weil wir in Baden-Baden als Bürger dieser Stadt eine Verantwortung vor unserer Geschichte haben, vor unserer ganzen Geschichte. Auch vor den bösen Teilen dieser Geschichte! Wir können nicht nur Stolpersteine für die ermordeten Mitbürger unserer Stadt verlegen und gelegentlich darüber „stolpern“, sondern wir müssen auch dann, wenn es Zeit ist, wieder handeln. Die neue Synagoge ist in Wahrheit eine willkommene Chance für unsere Stadt, so wie sie eine Chance in vielen anderen Städten in Baden-Württemberg war, die dort dankbar ergriffen wurde. Man half dort den neuen jüdischen Gemeinden, man unterstützte sie, teilweise mit Millionenbeträgen! Die alte Synagoge in Baden-Baden wurde geschändet und zerstört, aber ihr Wiederaufbau mit Hilfe der Stadt wäre ein Zeichen der Versöhnung. Die sollte im Namen aller Bürger die Oberbürgermeisterin einleiten. Wir dürfen unsere historische Verantwortung nicht mit Füßen treten.

Foto: Ben Becher