„Wir werden über diese Krise hinwegkommen“

17Dezember
2021

Leere Geschäfte und ein schwaches Weihnachtsgeschäft: Es läuft nicht gut im Handel. Matthias Vickermann, BBI, trotzt dem Pessimismus dennoch: Sein Motor ist die Schönheit unserer Stadt.

Herr Vickermann, wie läuft das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel in Zeiten von G2?

Matthias Vickermann: „Ganz ehrlich? Abgrundtief schlecht. Wir haben zwar keinen Lockdown, doch wir spüren ganz deutlich: Die meisten Leute haben keine Lust mehr, shoppen zu gehen. Sie sind verunsichert, resigniert, sie fragen sich: Muss ich jetzt wirklich in die Stadt? Es sind so viele Dinge, die den Leuten gerade die Laune vermiesen. Schauen Sie doch mal, wie viele beziehungsweise wie wenig Tüten die Menschen in der Hand haben, wenn sie durch die Fußgängerzone schlendern. Ich war gerade bei der Bank und sah nicht einen Kunden in den Geschäften. Dabei ist just der Dezember für Händler mit Abstand der wichtigste Monat im Jahr.“

Welche Reaktionen erleben Sie von Händler- und Kundenseite?

Matthias Vickermann: „Auch die Händler sind an dem Punkt, wo sie sagen: Was sollen wir noch tun? Und wo liegt denn noch der Vorteil begründet, zu Kunde sagen: Ich gehe jetzt in die Stadt? Die Leute wissen es oft nicht. Das Schlimmste ist, wenn man als Händler nicht agieren kann. Wir werben natürlich trotzdem, mit der tollen Atmosphäre in der Stadt, der schönen Beleuchtung. Wir appellieren daran, dass die Menschen beim Weihnachtskauf an den lokalen Handel denken. Aber man muss auch sagen: Wir sind keine reine Shopping-Stadt. Wir haben ein supertolles Angebot im Bereich der Kultur, Hotellerie, Gastronomie, Stadtbild. Nur auf Shopping können wir nicht setzen, um Gäste in die Stadt zu bekommen. Doch wenn man die Stadt als Gesamtpaket bewirbt, dann passt das. Da sind wir bei der BBI gefragt, um die Qualität der Stadt in den Vordergrund zu stellen.“

Baden-Baden ist aber kein Einzelfall in Sachen Krise im stationären Handel, richtig?

Matthias Vickermann: „Das ist korrekt. Alle Städte leiden aktuell. Das Erste, was in einer Krise leidet, ist nun mal der Einzelhandel. Meine Motivation ist ganz einfach: Ich bin begeistert von dieser Stadt. Und ich gehe ins Risiko. Ich habe gerade meine Ladenpacht für 20 weitere Jahre verlängert.“

Wie sind Ihre Prognosen, wie der Handel in BAD das Weihnachtsgeschäft abschließen wird?

Matthias Vickermann: „Gar nicht gut. Die Situation ist schlimm, es werden wohl 30 bis 40 Prozent der Umsätze im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2010 wegbrechen.“

Werden weitere Geschäfte dichtmachen?

Matthias Vickermann: „Wenn das so weitergeht, schon. Denn jetzt geht’s bei vielen Händlern an die finanzielle Grundsubstanz.“

Wie könnte die Stadt helfen?

Matthias Vickermann: „Wenn einer helfen kann, dann sind es die Konsumenten, die Bürger – und nicht die Stadt als Apparat.“

Was gedenken Sie 2022 zu tun, um den Handel zu beleben?

Matthias Vickermann: „Wir haben ja nun Be!Baden-Baden gestartet, um den Baden-Badener Händlern eine Online-Präsenz zu geben. Damit haben wir eine Plattform geschaffen, um alle Händler, die mitmachen wollen, abzuholen und einzubinden. Das wird jetzt auch nach und nach getwittert. Gerade machen wir einen Online-Adventskalender, wo wir Produkte verlosen. Wir werden die digitalen Schritte weiterentwickeln, aber natürlich auch weiterhin Radio- und Printwerbung machen.“

Wir haben seit Juli 2021 den Welterbe-Titel. Wird das dem Handel helfen?

Matthias Vickermann: „Absolut, weil dies kulturinteressierte Menschen in die Stadt holt. Der Titel kann uns einen Schwung geben. Wir brauchen auch weiterhin diese Events von europäischem Ausmaß, etwa internationale Preisverleihungen. Wir müssen schauen, dass wir die Qualität dieser Stadt weiter hochhalten. Und wir können nicht noch mehr Leerstände hinnehmen. Die Innenstädte sind doch heute alle vergleichbar, da ist ja nichts Besonderes mehr. Selbst die Königsallee in Düsseldorf ist nicht mehr das, was sie einmal war. Doch wir machen unser Ding, mit innovativen Ideen und Aktionen. Jeder Händler – und jeder Bürger – sollte seinen Beitrag leisten, um unsere Innenstadt zu retten.“

Auf welches Highlight freuen sie sich 2022, als Booster für den Handel?

Matthias Vickermann: „Auf die Festspiele und die Pferderennen. Und wenn wir es hinkriegen, drei ordentliche verkaufsoffene Sonntage durchzuführen, ohne dass Verdi dazwischenfunkt, dann ist das schon mal etwas. Trotz allem Pessimismus, der aktuell spürbar ist, sage ich Ihnen: Alles wird gut. Wir werden über diese Krise hinwegkommen.“

Foto: Matthias Vickermann