„Entscheidend wird sein, dass ein Kompetenz-Team entsteht“

06September
2019

Um den Charakter ihrer Villengebiete zu erhalten, hat die Stadtverwaltung vor kurzem eine Baufibel herausgegeben. Wichtig ist nun, dass ihre Grundsätze auch umgesetzt werden. Interview mit Wolfgang Niedermeyer, 1. Vorsitzender des Vereins Stadtbild Baden-Baden und Stadtrat der FBB. Interview von Cornelia Mangelsdorf.

Herr Niedermeyer, gerade hat die Stadtverwaltung das neue „Leitbild der baulichen Gestaltung“ in historischen Villengebieten vorgestellt. Dass es dieses nun gibt, daran sind Sie nicht ganz unschuldig. Was gab in Baden-Baden den Anstoß, eine Baufibel zu entwickeln?


Wolfgang Niedermeyer: „Ausgangspunkt waren auch Forderungen des Vereins Stadtbild, die vor fünf Jahren bei einem öffentlichen Symposium, an der auch die OB und die Verwaltung teilnahmen, konkretisiert wurden. Ein herausragender Beitrag kam vom Leiter der Stadtplanung der Stadt Wiesbaden, der unsere Verwaltung sichtlich beeindruckt hat.“

Wann hat man die Arbeit aufgenommen? 

Wolfgang Niedermeyer: „Nun, das dauerte dann noch ein paar Jahre. Die eigentliche Arbeit an der Baufibel läuft seit Februar 2018. Vorher waren bereits ,städtebauliche Wertepläne’ für den Bereich Welterbe-Kernzone in Arbeit, die sich sicherlich auch sehr nützlich für die Grundlagenermittlung erwiesen.“

Wer hat die Baufibel inhaltlich erstellt? 

Wolfgang Niedermeyer: „Der Auftrag ging an das auch von uns favorisierte Büro Planungsgruppe Darmstadt, das bereits die Stadt Wiesbaden beraten hatte. Dessen Kompetenz, methodische Gründlichkeit und argumentative Redlichkeit konnten wir bei den öffentlichen Veranstaltungen jedes Mal bewundern.“

Hat die Baufibel auch einen rechtlichen Hebel? 

Wolfgang Niedermeyer: „Der Nutzen kann zurzeit nicht rechtlich in Form von Auflagen, sondern nur in Beratungen umgesetzt werden. Offen bleibt die Beratungskapazität der Verwaltung, wenn Sie berücksichtigen, dass unsere Stadtplanung sowohl bei den über 600 Bauanfragen und Bauanträgen pro Jahr allgemein und jetzt noch mit der Zusatzaufgabe ,Leitbild bauliche Gestaltung’ betraut ist. Entscheidend wird sein, dass in der Stadtplanung ein Kompetenz-Team entsteht, dass die erhöhten Anforderungen an die Bebauungsplanung und Bauberatung aus eigener Kraft abdecken kann. Zur Umsetzung der Anforderungen der Baufibel müssen etwa 14 Bebauungspläne angefasst werden. Die Inanspruchnahme von externen Büros würde zwischen 75.000 und 100.000 Euro je Plan kosten. Wir sollten uns gut überlegen, ob wir nicht mit einem eigenen Kompetenz-Team besser für die Zukunft aufgestellt wären und dies in den nächsten Haushaltsberatungen offen diskutieren.“

Ist die Baufibel dann überhaupt wirksam, um künftige Bausünden in Villengebieten zu vermeiden?

Wolfgang Niedermeyer: „Ein Papier, das sich auf die Kraft von Argumenten bezieht, ist natürlich abhängig von der argumentativen Befähigung seiner Protagonisten im Alltag. Die können wir natürlich nicht bei jedem Mitarbeiter in der Verwaltung oder bei den Architekten kurzfristig voraussetzen. Wichtig erscheint die angekündigte erste Umsetzung bei einem Bebauungsplan, an dem sich ein sicherer Umgang mit den Grundsätzen schulmäßig entwickeln könnte.“

Wo in der Stadt sollte man besonders ein Auge drauf haben, dass noch freie Lücken nicht mit modernen Kuben zugebaut werden? 

Wolfgang Niedermeyer: „Für mich besteht der besondere intellektuelle Ansatz des Leitbildes nicht darin, jetzt und in Zukunft mit Denkverboten an bestimmten Stellen zu arbeiten, sondern in der Aufforderung, den Geist des Ortes zu erarbeiten, mit dem gehörigen Respekt auf die vorhandenen Strukturen zu reagieren und mit entsprechender Qualität und Einfügungsempfinden zu antworten. Das sollten Architekten eigentlich gelernt haben und ihren Bauherren auch vermitteln können.“

Und wer in der Stadt wird ein Auge darauf haben? 

Wolfgang Niedermeyer: „Ich hoffe alle Bürger!“

Zur Info: Die Erstellung der Baufibel hat 80.000 Euro gekostet. Die Broschüre gibt es im Internet und kostenlos bei der Stadt Baden-Baden.