„Die Stadtverwaltung hätte schon viel länger und viel entschiedener tätig werden müssen“

13September
2022

Neben dem Areal des Schlosses Seelach steht ein Bauernhaus. Lange Zeit interessierte sich niemand – und wohl auch das Bauamt nicht – für dessen Verfall. Warum nicht? Interview mit Martin Ernst, Chef der FBB.

Herr Ernst, hoch über Lichtental glänzt das Schloss Seelach. Es wurde sehr aufwendig renoviert. Wohnt da eigentlich auch jemand?

Martin Ernst: „Gefordert war seitens der Bauverwaltung, dass das beim Kauf eingestürzte Schloss Seelach nach den beim Bauamt vorhandenen Originalplänen aus dem vorigen Jahrhundert wieder aufzubauen ist. Eigentlich handelt es sich nicht um eine Renovierung, sondern um den Wiederaufbau des ehemaligen Schlosses und einer ganzen Reihe zusätzlicher Bauten, die alle neu errichtet wurden. Die Gesamtkosten sollen laut Architekten mittlerweile Richtung 100 Millionen Euro gehen. Sicherlich muss man hier positiv hervorheben, dass das gesamte Ensemble jetzt in einem wunderbaren Zustand ist. Wie ich informiert bin, hält sich im Schloss Seelach augenblicklich nur Wachpersonal auf.“

Wissen Sie, wie die Eigentümer das Schloss nutzen werden? Oder müssen wir befürchten, dass dieses wunderschöne Anwesen auch wieder nur kalte Betten beherbergt?

Martin Ernst: „Schloss Seelach ist ein privates Wohngebäude, das sich ein osteuropäischer Oligarch als soundsovielten Wohnsitz zugelegt hat. Wahrscheinlich wird Schloss Seelach für diesen Oligarchen eine von vielen möglichen Fluchtburgen für den Fall der Fälle sein.“

Sie haben kürzlich in den städtischen Gremien die Rede auf das unter Denkmalschutz stehende Bauernhaus beim Schloss Seelach gebracht. Warum?

Martin Ernst: „Neben dem Areal des Schlosses Seelach gab es ein Bauernhaus mit einem eigenen großen Grundstück. Es wurden in Absprache mit dem Bauamt weitere Neubauten auf dem Areal des Bauernhauses errichtet. Niemand – und scheinbar auch das Bauamt nicht – interessierte bisher den Verfall des Bauernhauses. Erst vor wenigen Wochen hat die Stadt angeblich Zwangsmaßnahmen eingeleitet. Die Rede brachte ich in den Gremien der Stadt auf dieses Bauerhaus, weil jeder Baden-Badener Bürger härteste Auflagen bei einem unter Denkmalschutz stehenden Objekt zu beachten hat und hier schaut die Stadt bei einem ausländischen Investor über viele Jahre wortlos zu. Nach dem Gleichheitsgrundsatz ist dies für mich überhaupt nicht zu verstehen und schon gar nicht zu tolerieren.“

Wieso, glauben Sie, kümmert man sich nicht darum? 

Martin Ernst: „Man will das Bauernhaus an dieser Stelle einfach nicht mehr haben. Ob eine Zwangsmaßnahme hier eine Änderung des Bewusstseins herbeiführt, bezweifle ich sehr. Die Stadtverwaltung hätte schon viel länger und viel entschiedener tätig werden müssen.“

Hätten Sie eine Idee, wie man das Häuschen nutzen könnte? 

Martin Ernst: „Das Häuschen ist nun im Ensemble. Eine öffentliche Nutzung werden die Eigentümer unter gar keinen Umständen wollen. Hier ist die Verwaltungsspitze, vielleicht sogar der Oberbürgermeister selbst gefordert. Auf jeden Fall müssen solche Denkmäler erhalten bleiben und ich wünsche mir auch sehr, dass die Bauverwaltung den Verfall des Bauernhauses öffentlich kommuniziert. Dieser gesamte ungeheure Ablauf ist aus meiner Sicht ein Thema für die Öffentlichkeit. Ich wundere mich sehr, dass die Medien dieses Thema erst jetzt aufgreifen.“

Fotos: Ben Becher