Das Auge baut mit – oder eben nicht!

02August
2022

Das Hauptgebäude auf dem Gelände des ehemaligen Ludwig-Wilhelm-Stifts an der Seufzerallee soll um drei Neubauten ergänzt werden. Der Gestaltungsbeirat ist mit der Art und Weise nicht glücklich.

Beinahe wie eine kleine Burg mutet das Sandsteinschlösschen in der Rotenbachtalstraße an. Bis vor drei Jahren wurden in der Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes ältere Menschen gepflegt, seitdem steht das Gebäude leer. (Und wir erinnern uns wohl alle noch an die Widerstände des Verkaufs – den Bewohnern des Seniorenheims wurde im betagten Alter noch ein Umzug zugemutet). Ringsherum: Brachliegendes Bauland, das darauf wartet, den Sandstein stilvoll zu umrahmen. Doch: Stilvoll ist der von der Freiburger Baufirma eingereichte Entwurf in den Augen des Gestaltungsbeirats nicht.

Ein unpassendes Erscheinungsbild

Eine Besonderheit, die das Baden-Badener Stadtbild auszeichnet, ist die architektonische Vielfalt. Gründerzeit und Jugendstil reihen sich an anspruchsvolle moderne Bauten. Wenn man sich das Portfolio des Freiburger Bauunternehmens TreuBau AG ansieht, so stößt man auf Objekte, die vor allem durch ästhetische Unscheinbarkeit glänzen: Man trifft auf das Erscheinungsbild des lustlosen Neubaus par excellence: glatte Flächen, rechte Winkel, alles durchweg in Weiß gehalten. Kalte, profillose Quader, wie sie die Nachbarschaften so vieler in den letzten Jahren aus dem Boden gestampften Neubaugebiete kennzeichnen. Auch die Visualisierungen der TreuBau AG zum Projekt an der Seufzerallee – die Neubauten also, die direkt an den schönen Sandsteinbau grenzen – entsprechen diesem Stil. Das passt nicht ins Bild, findet der Gestaltungsbeirat.

Mehr Orientierung am Original

Das Gebäude des ehemaligen Ludwig-Wilhelm-Stifts ist denkmalgeschützt und bleibt somit als Kern und Hauptgebäude des neuen Areals erhalten. Die fünfköpfige Expertenkommission des Expertenbeirats wünscht sich, dass die neuen Gebäude sich äußerlich eher an diesem orientieren. Die bisherigen Entwürfe entsprechen bisher nicht dem Bild, das man sich von dem Areal vorstellt. Beispielsweise sei der Kontrast zwischen den grauen Sockeln der Entwürfe und dem rötlichen Sandstein des Hauptgebäudes unpassend. Darüber hinaus würden die Entwürfe im Allgemeinen nicht die gewünschte Qualität aufweisen.

Architektonische Expertise

Der Gestaltungsbeirat der Stadt Baden-Baden ist eine beratende Expertenkommission, die dafür eintritt, „das Stadtbild gestalterisch zu verbessern, die architektonische und städtebauliche Qualität auf hohem Niveau zu sichern und fortzuschreiben sowie Fehlentwicklungen in Architektur und Städtebau zu vermeiden.“ Er besteht aus fünf Ingenieuren und Stadtplanern und tagt fünf Mal jährlich öffentlich im Rathaus. Wenn der Gestaltungsbeirat selbst auch nur in beratender Funktion tätig ist und keine Entscheidungsgewalt hat, so legt der Gemeinderat, der diese durchaus hat, großen Wert auf die Einschätzung der Experten. Und so bleibt zu hoffen, dass im Falle der Neubebauung in der Rotenbachtalstraße eine Bausünde vermieden werden kann.

Fotos: Ben Becher