„Liesen ist Weltklasse“

24Juni
2022

Zur Rede von Prof. Dr. Heinrich Liesen anlässlich der Vereidigung des neuen OB Dietmar Späth gab es großartige Reaktionen. Hier eine kleine Kostprobe – und die Rede in voller Länge.

Christian Frietsch, Herausgeber der Online-Zeitung goodnews4, kontaktierte den Stadtrat der FBB, um die Leser-Reaktionen auf Liesens beeindruckende Rede im Kurhaus mit ihm zu teilen. Die Kommentare der Leser können sich sehen lassen: „Liesen ist Weltklasse“, heißt es. Oder: „Der könnte OB werden“. Man schätzt Liesens Lust an der Kritik: „Der hat elegant die mahnenden Worte auf den Punkt gebracht.“ Als „Großes Kino“ wurde der Auftritt des Stadtrats empfunden. Wie dieser wahrgenommen wird? „Ein Mann zum Aufschauen“!

Weiter kämpfen für die gute Sache

Heinrich Liesen kommentierte in seiner gewohnt bescheidenen Art: „Aber diese Kommentare können doch nicht ernst gemeint sein!“ Und er fügte hinzu: „Wenn ein wenig davon stimmen sollte, dann stärken die Kommentare das Selbstbewusstsein, noch nicht aufzugeben, weiter zu kämpfen gegen die Windmühlenflügel eines nicht dienenden, selbstherrlichen, zum Teil arroganten „Mittelfeldes“ und Gemeinderats. 

Hier die Rede von Heinrich Liesen

Sehr geehrte Ehrengäste, sehr geehrte Gäste!

Ich danke Ihnen, dass Sie durch Ihr Kommen die Vereidigung und Verpflichtung des neuen Oberbürgermeisters, Herrn Dietmar Späth, würdigen und die Bedeutung dieses Schrittes für Baden-Baden honorieren.

Ganz besonders freue ich mich, dass Sie, liebe Bürgerrinnen und Bürger, an dieser Feier teilnehmen. Die Freude ist sicherlich auch bei Herrn Späth und den Mitgliedern des Gemeinderates, den ich als dessen Senior vertreten darf. Denn wir alle möchten Ihnen dienen und unsere Stadt in eine weiterhin weltweit bekannte moderne Kultur- und Bäderstadt weiterentwickeln. Das ist jedoch nur gemeinsam zu erreichen, zum Erfolg zu führen.

Meine Damen und Herren!

Es waren großartige Dichter und Musiker, kunstsinnige Kaufleute aus der Bürgerschaft und Mäzene, die Baden-Baden im 19. Jahrhundert zur „Sommerhauptstadt Europas“ machten, glanzvoller Treffpunkt für internationale Badegäste der Belle Epoque. Die Stadt Baden-Baden, das war jahrzehntelang das Synonym für Bäderkultur, prächtige Gartenlandschaften und wunderbare Architektur. Dafür wurde sie im letzten Jahr mit der Aufnahme in die Liste des UNESCO Welterbes ausgezeichnet. Ein Titel, dem wir verpflichtet sind und der der Stadt neue zukunftsweisende Impulse geben kann.

Sehr geehrter Herr Späth!

Mit der Vereidigung und Verpflichtung heute beginnt offiziell Ihre Oberbürgermeistertätigkeit in Baden-Baden. Am Beispiel Ihres Lieblingshobbys, dem Fußball, möchte ich die Chancen und Herausforderungen skizzieren.

Sie treten nicht mehr als Spieler, sondern als Teamchef einer sehr großen Mannschaft an. Sie stehen mit ihr vor einem Endspiel. Das gilt es zu gewinnen. Ein „Weiterso“ (wie in den letzten 8 Jahren) wäre eine Niederlage; würde Baden-Baden wahrscheinlich in eine bedeutungslose Kleinstadt abrutschen lassen. Die Chance, das Endspiel zu gewinnen, ist da.

Sie haben sich in den letzten Tagen wahrscheinlich schon eine Bild von ihrer außergewöhnlich großen Mannschaft gemacht. Dennoch möchte ich Ihnen die Mannschaftsteile aus meiner Sicht und Erfahrung vorstellen.

In der Deutschen Europameister-Mannschaft der Bürgermeister hatten Sie einen Stammplatz im Sturm. Der Sturm, den sie hier vorfinden, besteht aus Gemeinderat und Ortschaftsräten. Die selten an einem Strang ziehen, sondern häufig parteipolitische Macht-Interessen verfolgen und dabei das Wohl der Bürger und die Weiterentwicklung der Stadt aus den Augen verlieren. Als Teamchef eine große Aufgabe, diese Gremien zu konstruktiven, uneigennützigen Entscheidungen für unsere Stadt zu einen.

Die Defensive, um in der Fußballsprache zu bleiben, bildet die Verwaltung. Ein sehr großer (manche sagen ein zu großer) Mannschaftsteil. Rund 1.100 Mitarbeiter, wie die Personalratsvorsitzende, Frau Doris Forcher, bei der Verabschiedung von Frau Margret Mergen sagte „für ein Dorf“. Frau Mergen korrigierte eine halbe Stunde später „es seien 1.2oo“. Wie dem auch sei, nimmt man die sogenannten Töchter dazu wie die Stadtwerke, die GSE, die EurAka und die Ortschafts-Verwaltungen, dann sind es irgendwo zwischen 1.600 – 1.800 Beamten und Angestellten. Wie gesagt: „für ein Dorf“, allerdings von ca. 55.000 Einwohnern.

Herr Späth, Sie übernehmen tolle Mitarbeiter: Sie sind (in der Regel) sehr freundlich; hilfsbereit, wenn sie dürfen; fleißig. Aber viele, so hört man, sind nicht glücklich in ihrem Job. (Möglicherweise, weil sie sich alleingelassen fühlen in dem Wust von vielen überflüssigen Verwaltungsanordnungen oder weil sie zu wenig Freiraum haben für eigene Kreativität und Selbstständigkeit in Selbstverantwortung.)

Sie finden das berühmt-berüchtigte Parkinson’sche Gesetz zum Bürokratiewachstum vor. Das gilt es zu knacken, zu beenden. Sonst werden die Forderungen nach mehr Stellen nicht aufhören und der Mannschaftsteil, die Defensive, verliert seine Orientierung und wird unbezahlbar.

Fehlt noch das Mittelfeld, der kreative, gestalterische Mannschaftsteil. Er besteht aus zahlreichen (manche sagen zu vielen) Führungskräften. Sie scheinen sich mitunter gegenseitig zu behindern. Auch sie brauchen, Herr Späth, eine Führung, eine Orientierung, einen roten Faden: „wohin die Reise geht“.

Meine Damen und Herren!

Wir leben in einer Zeit der Krisen:
Eine tödlich verlaufende Pandemie konnten wir Dank der Kreativität und dem Wissen der Wissenschaftler verhindern, wenn man deren Empfehlungen folgte.

Der unfassbare, mörderische Krieg gegen die Menschen in der Ukraine verändert vieles und lenkt hoffentlich wieder den Blick auf Wesentliches.
Z.B. unsinnige Verwaltungsvorschriften, die Ihre Mannschaft, Herr Späth, permanent beschäftigen und damit lahmlegen, werden hoffentlich auch in Frage gestellt, abgeschafft. (Unsinniges tun zu müssen, schmerzt! Es zu lassen, bringt Freude am Arbeitsplatz!)

Sehr geehrter Herr Späth!

In der Belle-Epoque-Zeit, die Baden-Baden bis heute prägt, haben einflussreiche, großherzige und großzügige Bürger die Initiative ergriffen.

Heute hat Baden-Baden wieder Bürger, die das Potential besitzen und bereit sind, die weltweit gerühmte und berühmte Kultur- und Bäderstadt mitzugestalten und um ihr eine Vision für die Zukunft zu geben. Die sich nicht im „good-good-life“ erschöpft. Schaffen Sie mit Ihrem Team die Voraussetzungen dazu.

Es wird Zeit, die zu lange vernachlässigte Maxime für Baden-Baden, „Sanus per aquam“, Gesundheit durch Wasser, wieder zu beleben. Auch wenn es viele vergessen haben, Baden-Baden ist eine Bäderstadt, jüngst geadelt durch den Weltkulturerbe-Status. Ihre erfolgreiche Zukunft wird damit verbunden sein, dass sie als moderne Bäderstadt wiederbelebt wird.

Herr Späth, es gibt viel zu tun! Sie haben bereits in Muggensturm (und im Fußball) gezeigt, dass Sie das managen können. Wir – der Gemeinderat, die Ortschaftsräte und die Bürger der Stadt – werden Sie dabei unterstützen.

Fotos: Ben Becher | FBB-Archiv