PFC Ooswinkel

28Juni
2022

Mehr als ein Zehntel des mittelbadischen Ackerlands ist mit per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFC, verseucht. Einmal ins Grundwasser gelangt, können die für die Industrie wichtigen Chemikalien gesundheitliche Probleme verursachen. Nun wurden PFC im Ooswinkel nachgewiesen.

Der Ooswinkel, an ein skandinavisches Dörfchen anmutende kleine Enklave in der Weststadt, ist in etwa 200 Parzellen eingeteilt. Auf ihnen finden sich gepflegte Rasenflächen, gemütliche Verandas, Blumen- sowie Obst- und Gemüsebeete in den Gärten der Bewohner. In 27 dieser Parzellen wurde vor 20 Jahren die Erde ausgetauscht. In Proben von sieben Grundstücken sind nun umwelt- und gesundheitsschädliche PFC nachgewiesen geworden. Bewohner sind nun angehalten, Obst und Gemüse aus diesen Gärten zur Sicherheit nicht zu verzehren.

Skandal in Mittelbaden

Die PFC-Problematik in Mittelbaden ist schon seit Jahren ein ernstes Thema und gilt als Skandal – in kaum einer Region Deutschlands ist die Bodenbelastung so stark wie bei uns. Das erste Mal hier bemerkt wurde dies 2012, als PFC im Rastatter Trinkwasser auftauchten. 2013 wurde es in Baden-Baden zum ersten Mal zum Problem, als bemerkt wurde, dass die Sandweierer Feuerwehr drei Jahre zuvor einen Brand mit einem Löschmittel gelöscht hatte, das PFC enthielt. Dieser Löschschaum ist mittlerweile aus gutem Grund verboten. Doch für die Böden war es zu spät – das Gift war schon längst versickert und im Grundwasser.

Filteranlagen für die Wasserwerke

Das Baden-Badener Trinkwasser ist nach wie vor von ausgezeichnter Qualität, der PFC-Anteil in unserem Leitungswasser liegt im unbedenklichen Bereich. Damit dies jedoch so bleibt, wird geplant, das Steinbacher sowie das Sandweierer Grundwasserwerk mit einem Aktivkohlefilter auszustatten. Die Kosten hierfür – rund vier Millionen Euro – wird am Ende zu einem großen Teil der Bürger in Form von höheren Wasserpreisen tragen. So war es bereits der Fall bei den Rauentaler Wasserwerken in Rastatt, dessen gigantische neue Filteranlagen zum Großteil von den Bürgern bezahlt werden – Ministerpräsident Kretschmann war der gemeinsamen Bitte um Unterstützung von 17 mittelbadischen OBs nicht nachgekommen.

Was wird unternommen?

Da wir bisher wenig Erfahrung im Umgang mit PFC und ihrer Beseitigung haben, wird sich der Prozess auf viele Jahren erstrecken. Die kontaminierten Böden einfach auszutauschen wäre logistisch wie finanziell praktisch unmöglich. Andere Lösungsansätze waren das Versiegeln der Fläche – im idyllisch blühenden Ooswinkel eine vermutlich eher unbeliebte Alternative – oder eine chemische Lösung, bei der man Stoffe in den Boden einbrächte, die die giftigen Chemikalien „entschärfen“.

Schaden für Landwirtschaft und Gesundheit

Etwa 120 Landwirte in der Gegend sind von verseuchten Ackerflächen betroffen – sie alle hatten früher nichtsahnend PFC-behafteten Kompost auf ihren Feldern verteilt. Durch sogenanntes „Vor-Ernte-Monitoring“ wird jedoch verhindert, dass vergiftetes Obst und Gemüse den Kunden erreicht. Und das ist auch gut so, denn Tierversuche legen nahe, dass PFC sowohl die Entstehung verschiedener Krebsarten fördern als auch Fruchtbarkeit und Zeugungsfähigkeit mindern. Außerdem rufen sie möglicherweise weitere Krebsarten, Schilddrüsenerkrankungen oder Asthma hervor. Aufgrund der Vielzahl von PFC-Verbindungen und deren Unterschiede ist allerdings noch nicht genau geklärt, wie groß das Ausmaß der Gefahr von PFC für Mensch und Tier tatsächlich ist. Nun bleibt zu hoffen, dass das PFC-Problem im Ooswinkel sich nicht noch weiter auswächst.

Fotos: Ben Becher