Baden-Baden überschreitet Grenzen für Feinstaubbelastung

09März
2017

Was Städten wie Stuttgart oder München droht, das droht demnächst wohl auch Baden-Baden. Die Luft in der Stadt ist extrem dreckig und gesundheitsschädlich, wie der Mediziner und FBB-Stadtrat Prof. Dr. Liesen herausfand und in einem Brief (siehe Anlage am Ende dieses Artikels) an den Ersten Bürgermeister feststellte.

In Baden-Baden misst das Bundesumweltamt die Feinstaubbelastung, allerdings vorsichtshalber weitab vom eigentlichen Straßenverkehr im Aumatt-Stadion. Doch auch hier überstiegen bereits an 9 Tagen (!) in diesem Jahr die von der EU festgelegten Höchstgrenzen für Dreck aus Autos und Verkehrsabgasen. Würde die Stadt dort messen lassen, wo der Verkehr wirklich brummt (beispielweise am großen Kreisel in der Cité oder am Ebertplatz), wären die Messergebnisse mit Sicherheit noch schlimmer.

Gleichzeitig plant die Stadt unverständlicherweise direkt dort, wo es in Baden-Baden die höchste Feinstaubbelastung geben dürfte, nämlich direkt an der Wörthstraße eine Wohnbebauung für ältere Leute direkt unter dem so genannten Tausendfüßler. Würde man dort messen, wären die Messergebnisse noch drastischer. Einmal abgesehen davon, dass die wirklich schädlichen kleineren Partikel aus Dieselabgasen (die "PM 5 und PM 2,5") in Baden-Baden vorsichtshalber erst gar nicht gemessen werden.

Die Luft in Baden-Baden ist also wesentlich schädlicher weil dreckiger, als angegeben. Das wissen die Verantwortlichen im Rathaus auch. Und was tun sie? Sie planen zunächst einmal nur "weitere Messstationen" in der Stadt, als ob die Luft durch beständiges Messen besser würde! Wir brauchen nicht mehr Verwaltungswissen über den Dreck in der Baden-Badener Luft, wir brauchen konkrete Maßnahmen zum Schutz der Baden-Badener Bürger.

Was man sofort tun könnte? Und was man sofort tun muss: Man könnte den Straßenverkehr mindestens mal "beruhigen", indem man beispielsweise eine generelle 30-Km-Zone im ganzen Stadtgebiet einführt. Das hilft sofort! Messen alleine (und noch am falschen Ort!) nutzt gar nichts.

Und man könnte die städtischen Dreckschleudern (die Busse) aus dem Verkehr ziehen.

Und man sollte nur dort bauen, wo die Luft wenigstens nicht gesundheitsschädlich ist.

FBB-Stadtrat Prof. Dr. Heinrich Liesen

Anlage: Der Text der Briefe von FBB-Stadtrat Prof. Dr. Liesen an den Ersten Bürgermeister:

Sehr geehrter Herr Uhlig,

die Schadstoffbelastung durch Kfz ist ein grundsätzliches Problem für Baden-Baden. Von der Autobahn werden nicht unerhebliche Mengen Schadstoffe bei Westwind in die Stadt geblasen. Der Einstrom von Frischluft aus Seitentälern wurde in den letzten Jahren zum Teil durch kurzsichtige, egoistische Baumaßnahmen reduziert. (Weitere sind geplant wie z. B. auf dem Vincenti-Areal und SWR- Gelände.) 

Es ist besondere Sorgfalt geboten, die Menschen keiner zusätzlichen gesundheitsschädlichen Schadstoffbelastung auszusetzen. Eine Wohnbebauung an der Wörthstraße unter dem sog. Tausendfüßler ist aus medizinischer Sicht nicht zu verantworten. Die toxischen Schadstoffe folgen der Schwerkraft, so dass dort fast täglich mit die Grenzwerte überschreitenden Belastungen zu rechnen ist. Das ist auch älteren Menschen nicht zuzumuten. Kleinkinder erkranken bei solchen Schadstoffbelastungen sehr häufig an Lungen-/Atemwegserkrankungen, die über Jahre ihre Entwicklung reduzieren oder sich zu chronischen Erkrankungen entwickeln können.

Die Schadstoff-Messstation des Bundesumweltamtes am Aumattstadion  (siehe unten) - wenn auch ein evtl. nicht optimaler Standort – hat bereits an neun Tagen in diesem Jahr die von der EU festgelegten Grenzwerte überschritten. Es ist deshalb nicht erforderlich, über zwei Jahre sehr kostspielige Messungen an verschiedenen Standorten der Stadt zu planen und durchzuführen, um dann sich Gedanken zu machen, was man gegen die Grenzwertüberschreitungen tun kann. Hier ist sofort zu handeln. Eine 30 Km Geschwindigkeitsbegrenzung z. B. reduziert nicht nur den Schadstoffausstoß durch geringere Kraftstoffverbrennung, sondern auch den Feinstaub durch Bremsen und Anfahren. Es ist unverantwortlich, dass die Stadt nicht handelt, obwohl sie bereits vor fast zwei Jahren auf diese kritische Situation hingewiesen wurde, die auch mittelfristig Baden-Baden als Kurort in Frage stellen kann.

Nachfolgend einige Links, die zu den aktuellen Luftdaten führen, mit Zusatzinformationen von einem Fachmann, Herrn Guido Frensemeyer (Entwickler von Bremssystemen z. B. für die Formel1)

Luftbelastung

Hier die Feinstaubbelastung (PM10) Baden-Baden seit 01.01.2017:

Feinstaubbelastung (PM10)

Wie man sehen kann, wurde der von der EU festgelegte Grenzwert (welcher bereits doppelt so hoch ist wie der von der WHO festgelegte....) bereits an neun Tagen dieses Jahr überschritten. 35 Überschreitungen pro Jahr sind laut Richtlinie erlaubt. Danach könnte die Stadt / Gemeinde rechtlich zur Einhaltung der Grenzwerte gezwungen werden.

Hier der Vergleich Baden-Baden / Karlsruhe; die Feinstaubbelastung ist nahezu identisch, die Stickstoffbelastung bis auf einen Messtag ebenfalls:

Aktuelle Luftdaten

Glücklicherweise" werden PM5 und PM2,5 - also noch kleinere Partikel - nicht gemessen. Alle "modernen" Motoren, sowohl Diesel als auch Benziner haben aufgrund der sehr hohen Verbrennungstemperaturen und Drücke einen extrem hohen Ausstoß genau dieser Partikel. Je kleiner die Partikel, desto schädlicher für den menschlichen Organismus.

In fast allen europäischen Staaten gibt es Messstationen, deren Werte online eingesehen werden können.

Erwartungsgemäß ist die Luft an der Atlantikküste sehr gut, speziell Portugal. Dort werden oft nur 1Mikrogramm/Kubikmeter PM10 / PM2,5 gemessen - verglichen mit durchschnittlich 25 Mikrogramm hier in Baden-Baden!

http://qualar.apambiente.pt/index.php?page=2&year=2017&month=03&day=03

Sehr geehrter Herr Uhlig, es ist Zeit zu handeln und endlich „Pflöcke" einzuschlagen, damit unsere wunderbare Stadt nicht "an den Folgen der Fehler oder Versäumnisse ihrer Verwaltung“ (in die Bedeutungslosigkeit) versinkt, sondern eine Zukunft hat.

Mit freundlichen Grüßen

Freie Bürger für Baden-Baden

Prof. Dr. Heinrich Liesen, Stadtrat

E-Mail 2:

Sehr geehrter Herr Uhlig,

leider habe ich in meiner Mail zur Schadstoffbelastung vergessen, auf die zusätzliche Gesundheits-Gefährdung durch die PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) hinzuweisen. Sie sind extrem kanzerogen. Unter http://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/warum-ist-feinstaub-schaedlich-fuer-den-menschen
wird ausführlich die Problematik der PAKs behandelt.
Sie werden von allen modernen Dieselmotoren (etwa seit 1997) und Direkteinspritzer-Benzinmotoren erzeugt.
In den USA ist die Schadstoffbelastung der Luft "noch" deutlich geringer. Die Autohersteller in den USA verfügten bisher nicht über die Technologie wie die deutschen Hersteller: Direkteinspritzer. Das ändert sich aktuell, GM hat seit 1,5 Jahren den ersten Direkteinspritzer-Benzinmotor.
In Europa dagegen wird die damit verbundene Problematik explodieren. Z. B. VW (Seat) hat allein vom neuen Ibiza 5 Millionen als Diesel- oder Benzin-Direkteinspritzer verkauft!
Die PAKs stellen zusammen mit den Stickoxiden und dem Feinstaub schon heute ein "Hochrisiko" dar. Auch wenn das aus politischen und wirtschaftlichen Gründen zur Zeit noch nicht oder nur gering in der öffentlichen Diskussion steht, die Uhr tickt. Baden-Baden sollte sich seiner Verantwortung für seine historischen Kernkompetenz "Gesundheit und Kultur" bewusst sein. Das heißt in der jetzigen Situation dieses "Umwelt-Hochrisiko" erkennen, offen darstellen und aktiv Maßnahmen dagegen ergreifen....früher als die Politik es fordern wird. Das könnte ein wichtiges Projekt, ein zukünftiges Alleinstellungsmerkmal sein, dass Baden-Baden für die Gesundheit des Menschen steht.