Pflege-Alarm! Die Babyboomer werden älter

06November
2023

Man darf gespannt sein, wie sich Stadt- und Landkreise darauf einstellen: Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte bis 2060 in Baden-Württemberg um 48 Prozent auf über 800.000 steigen. Das zeigen die Ergebnisse der Pflegevorausberechnung für alle Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs bis 2040.

Es ist kein Geheimnis: Der Anzahl der älteren Menschen steigt – das wirkt sich auf die Pflegebedürftigkeit aus. Die sogenannten Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge mit den Geburtsjahren 1955 bis 1970, kommen langsam in die Jahre: Das bringt voraussichtlich eine Erhöhung der Zahl der Pflegebedürftigen mit sich. Das Statistische Landesamt hat sich das genauer angeschaut. Demnach lebten in Baden-Württemberg zum Jahresende 2021 insgesamt 2,6 Millionen Menschen Babyboomer, fast ein Viertel der insgesamt 11,1 Millionen Einwohner. Diese stark besetzten Jahrgänge werden in den nächsten Jahrzehnten sukzessive in Altersgruppen mit höherem Pflegerisiko vorrücken.

Mit dem Alter steigt die Pflegebedürftigkeit

Im Jahr 2021 kamen auf 100 Einwohner unter 70 Jahren gerade mal zwei Pflegebedürftige. Bei den 70- bis unter 80-Jährigen ist die Pflegehäufigkeit mit 10 Prozent noch vergleichsweise gering. Mit weiter steigendem Alter nimmt die Pflegehäufigkeit jedoch sprunghaft zu. In der Altersgruppe der 80- bis unter 90-Jährigen betrug diese 2021 ein Drittel und unter den Einwohnerinnen und Einwohnern in der Altersgruppe 90+ waren drei Viertel pflegebedürftig.

Der stärkste Anstieg der Pflegebedürftigen wird zwischen 2035 und 2050 erwartet

Der Zuwachs an Pflegebedürftigen wird sich laut den Statistikern im Gesamtzeitraum 2021 bis 2060 in Form einer Welle mit drei Phasen vollziehen:

• In der ersten Phase, von 2021 bis 2035, dürfte die Erhöhung der Zahl der pflegebedürftigen Menschen noch vergleichsweise moderat ausfallen. Im Jahr 2035 könnten fast 625.000 Menschen pflegebedürftig sein, 16 Prozent mehr als 2021.
• Dann folgt die Hochphase mit stark steigenden Zahlen an Pflegebedürftigen im Zeitraum 2035 bis 2050. Bis 2050 könnten in Baden-Württemberg 775.000 Menschen pflegebedürftig sein, 150.000 oder 24 Prozent mehr als 2035. Der Grund für den starken Anstieg liegt darin, dass bis zum Jahr 2050 alle Einwohnerinnen und Einwohner der Babyboomer-Generation mindestens 80 Jahre alt sein werden, ein Teil von ihnen bereits über 90 Jahre.
• In der dritten Phase, von 2050 bis 2060, dürfte die Zahl der Pflegebedürftigen nur noch sehr leicht um weitere 26.000 auf 801.000 Pflegebedürftige steigen, was einer Erhöhung um 3 Prozent entspricht. In diesem Zeitraum werden die Babyboomer nach und nach durch geburtenschwächere Jahrgänge abgelöst.

Heute schon an morgen denken

Um lokalen Akteuren einen Einblick in zu erwartende Entwicklungen zu ermöglichen, hat das Statistische Landesamt die aktuelle Pflegevorausberechnung auf die Ebene der Stadt- und Landkreise erweitert.

Landesweit geht die Pflegevorausberechnung von einem Zuwachs an Pflegebedürftigen im Zeitraum 2021 bis 2040 um 25 Prozent aus. Insgesamt könnte nach Ergebnissen der Pflegevorausberechnung die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in 8 Kreisen im Zeitraum 2021 bis 2040 um 9 Prozent bis unter 20 Prozent steigen, in 28 Kreisen um 20 Prozent bis unter 30 Prozent und in den restlichen 8 Kreisen um 30 bis 37 Prozent.

Die Kurstadt schneidet gut ab

In Baden-Baden gibt es vergleichsweise wenige Senioren in Pflege: Bei uns waren es 2021 lediglich 3.174 Pflegebedürftige. Das ist die geringste Zahl in ganz Baden-Württemberg. Bis 2040 werden es in der Kurstadt voraussichtlich 18 Prozent mehr Pflegebedürftige sein: 3.731 Personen. Anders sieht es etwa in Freiburg aus: Dort gibt es aktuell 8.420 Pflegebedürfte. Der Anteil der Menschen, die in der Stadt an der Dreisam gepflegt werden müssen, wird sich bis 2024 auf 10.249 erhöhen, um 22 Prozent.

Schon jetzt Weichen stellen

Die neuen Zahlen könnten ein wichtiges Werkzeug sein, um jetzt schon Weichen zu stellen für die Zukunft: etwa durch die Planung und Schaffung neuer Pflegeeinrichtungen oder den Ausbau ambulanter Pflegedienste. Diese Branche arbeitet am Anschlag – und für wenig Geld. Auch die Finanzierung der Pflege muss bedacht werden. Denn von einer schmalen Rente ist ein Pflegeheim nicht zu bezahlen. Im Ernstfall muss der Staat mitfinanzieren.

Wenn Pflege benötigt wird, wird es teuer. Doch es gibt (etwas) Hilfe

Ein Aufenthalt im Pflegeheim kostet gut und gern 5.000 Euro – und hier sprechen wir von einer Standard-Unterkunft. Seit 1. Januar 2022 erhalten alle Bewohner mit mindestens Pflegegrad 2 einen Zuschlag der Pflegeversicherung zu ihrem pflegebedingten Eigenanteil. Diese Sätze werden ab 2024 angehoben, um Pflegebedürftige und deren Angehörigen zu entlasten.

Ab 1. Januar gibt’s mehr Geld

Mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber die Leistungszuschläge angehoben. Zum 1. Januar 2024 wird der Anteil an den pflegebedingten Aufwendungen, den die Pflegeversicherung leistet, erhöht.

Je länger im Pflegeheim, desto höher die Unterstützung

Demnach erhalten Menschen, die 0 bis 12 Monate im Seniorenheim haben, nun statt 5 sogar 15 Prozent des in der vollstationären Pflegeeinrichtung zu zahlenden Eigenanteils an den pflegebedingten Kosten. Bei Personen, die 13 bis 24 Monate im Heim sind, wird der Satz von 25 auf 30 Prozent aufgehoben. Spürbare Entlastung dürfen Senioren erfahren, die 25 bis 36 Monate im Pflegeheim sind: Hier wird die Entlastung von 45 auf 50 Prozent erhöht. Wer mehr als 36 Monate in der Pflege ist, bekommt dann sogar einen Zuschuss von 75 Prozent.

Die finanzielle Belastung bleibt dennoch hoch

Die Zahlen können jedoch über eines nicht hinwegtäuschen: Wer Pflege benötigt, muss tief in die Tasche greifen. Oft muss das Eigenheim verkauft werden, um das Seniorenheim finanzieren zu können. In vielen Fällen unterstützen auch die Kinder finanziell. Das Thema Pflege bleibt ein heißes Eisen. Es wird uns eines Tages alle betreffen. Je früher also Lösungen für den wachsenden Pflegebedarf erarbeitet werden, desto besser.

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