Pandemie: Wie leben wir danach?

12Juli
2022

Wie wird die Gesellschaft nach der Pandemie aussehen, sollte diese jemals enden? Die Erwartungen reichen von gesellschaftlicher Kühle bis hin zu einer Ära rauschender Feste.

Corona – hat uns verändert. Viele Menschen haben in der Pandemie die Natur für sich entdeckt, das Radfahren und das „Cocooning“. Es blieb uns ja auch nichts anderes übrig. Blickt man auf das vergangene Jahrhundert zurück, so kommt man nicht umhin zu bemerken, dass auf Zeiten großer Verunsicherung oftmals Gegenbewegungen entstanden sind, als kontrastierende Antwort auf die Misere der vergangenen Jahre sozusagen: Auf den Ersten Weltkrieg folgten die Goldenen Zwanziger, ein Jahrzehnt der Zügellosigkeit und der Exzesse. Auf den Zweiten Weltkrieg folgte wenige Jahre später das Wirtschaftswunder und bescherte dem Volk Wohlstand. Auf den Vietnamkrieg folgten in den USA die wilden Siebziger. Man atmete auf und feierte das Ende einer Ära voller Sorgen und Kummer. Steht uns mit dem Ende der Corona-Pandemie Ähnliches bevor, sofern sie sich irgendwann davonschleicht?

Rückzug ins traute Nest – oder ein ausschweifendes Leben

Was die gesellschaftliche Entwicklung im postpandemischen Zeitalter anbelangt, so sind sich die Gesellschafts-Experten uneins. Während die einen die Goldenen Zwanziger 2.0 erwarten, glauben die anderen an die Fortführung der in den Lockdown angelegten Bequemlichkeiten: Auf der Couch herumlümmeln, Essen online bestellen statt auszugehen, Netflix daheim statt Treffen mit Freunden – wie schwer wird es werden, diese Gewohnheiten wieder abzulegen? Wollen wir das überhaupt? Der Anteil der Menschen, die mindestens gelegentlich Lebensmittellieferdienste in Anspruch nehmen anstatt selbst zum Supermarkt zu gehen, hat sich in der Pandemie von 16 auf 26 Prozent erhöht, so der Digitalverband Bitkom.

Das Leben bleibt geprägt von großen Unsicherheiten

Die Pandemie hat außerdem eine neue Art der Ungewissheit etabliert: Vieles ist unberechenbar geworden. Vor allem die Gastronomie spürt dies. Nicht nur sind Besucherzahlen von Restaurants unvorhersehbar geworden, auch können viele Restaurants – wenn sie nicht ohnehin schon wegen der Lockdowns schließen mussten – durch Personalmangel ihre Lücken nicht schließen. Viele Gastronomen sind überfordert. Zahlreiche Kellner und Küchenbeschäftigte haben sich längst Jobs gesucht, die in der Pandemie weniger risikobehaftet waren – etwa bei Lieferdiensten.

Stadtflucht als Ausweg?

Restaurants, Kinos, Theater und Geschäfte haben nach wie vor Mühe, ihre Häuser zu füllen. Doch der Online-Handel boomt. Gibt es da noch etwas, das einen in der Stadt hält? Ob die von vielen prophezeite Stadtflucht, sei es raus aufs Land oder in die Vororte, tatsächlich eintritt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Einiges spräche allerdings dagegen: Im Zuge von Digitalisierung und Abkapselung zuhause wird ein Gang in die Innenstadt mehr und mehr zum Event. Man trifft sich zum Stadtbummel oder auf ein Glas mit Freunden, um einmal etwas anderes als die eigenen vier Wände und das Internet zu sehen.

Das Leben in der eigenen Blase – reicht nicht

Eine Flucht aufs Land könnte zudem das in der Pandemie aufgekommene Problem verstärken, dass man sich mehr und mehr in seine eigene Bubble zurückzieht und noch weniger sozialer Austausch herrscht – ein Nährboden für Verschwörungstheoretiker und andere extreme politische Haltungen, wie die letzten zwei Jahre bewiesen haben. So bleibt uns also, auf das Ende der Pandemie zu hoffen – und auch auf das Ende der weltumspannenden Krisen. Hoffen wir darauf, dass Menschen weiterhin das tun, wofür sie geschaffen sind: Sich interessiert mit anderen auszutauschen, sich aufeinander einzulassen, füreinander da zu sein und schöne Momente miteinander zu verleben. Aristoteles nannte den Menschen ein „Zoon politikon“ – laut dem griechischen Philosophen ist der Mensch ein soziales, politisches Wesen. Wir brauchen einander. Und das hat doch auch etwas Tröstliches.

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