„Menschen liegen mir einfach am Herzen“

05Januar
2021

Früher war sie Polizeibeamtin – heute betreibt sie einen Unverpackt-Laden: Anfang Dezember hat Christine Helm „Emma Unverpackt Baden-Baden“ eröffnet. Dort bietet sie regionale Bio-Waren an. FOKUS Baden-Baden hat sie in ihrem hübschen Geschäft besucht.

Frau Helm, Sie haben gerade Ihren Unverpackt-Laden in der Schafbergstraße eröffnet. Was verkaufen Sie?

Christine Helm: „Ich verkaufe regionale, biologisch-dynamisch erzeugte Lebensmittel. Verpackungsfrei, in losen Behältnissen. Sie kommen mit Ihrer Tupperware, Ihrem Glasbehälter oder Ihrer Tüte zu mir, wir wiegen das Behältnis und ziehen dann dieses Gewicht später ab. Meine Kunden bezahlen also nur das Füllgut, kaufen die Menge, die sie wollen, also nicht die vorgefertigten 250 Gramm oder 500 Gramm wie im Supermarkt –sondern eben vielleicht mal nur 30 oder 80 Gramm. Das ist auch für die Oma gut oder für den Single-Haushalt.“

„Zero Waste“ – wie kriegen Sie das hin?

Christine Helm: „Ganz auf Plastik kann auch ich nicht verzichten. Ich habe hier Bananenchips, da ist Plastik drum, wegen des Aromas und zum Schutz vor Schädlingsbefall. Es ist aber recyclebar. Das meiste wird aber in großen Papiersäcken geliefert.“

Haben Sie schon Feedback bekommen?

Christine Helm: „Ja, sehr positives! Die Leute fahren vorbei, zeigen den Daumen nach oben oder sagen ,toll, dass wir jetzt einen Unverpackt-Laden in Lichtental haben’. Darauf sind viele richtig stolz.“

Haben Sie das Gefühl, dass auch in Baden-Baden ein Umdenken hin zu nachhaltigerem Handeln stattfindet?

Christine Helm: „Hier in Lichtental ja. Hier wohnen die jungen Familien. In der Stadtmitte, wo ich herkomme, nein. Ein ganz klares Nein. In Karlsruhe oder Freiburg ist es völlig normal, einen Unverpackt-Laden zu haben. Es sind auch immer mal wieder Leute aus Gaggenau und Gernsbach da, die nicht mehr nach Karlsruhe fahren müssen, sondern jetzt bei mir einkaufen.“

Besteht Ihre Kundschaft hauptsächlich aus jungen Leuten, Öko-Millenials?

Christine Helm: „Ganz klar aus den jungen Leuten. Die Älteren betreten meinen Laden kaum. Es sind aber keine ,Öko-Leute' im sprachgebrauchlichen Sinne, sondern junge Familien und Leute, die sich Gedanken um ihre Zukunft machen.“

Woher beziehen Sie die Waren, die Sie verkaufen? Stellen Sie manches selbst her?

Christine Helm: „Den Stollen habe ich selbst gebacken. Ansonsten komme ich noch nicht so oft zum Selbermachen. Ich habe aber vor, zweimal pro Woche eine vegane Suppe zu kochen, zum Mitnehmen. Meine Waren bekomme ich zum Beispiel von der Zeller Mühle oder vom Biolandhof Ibach, da habe ich Kartoffeln, Nüsse und Äpfel her. Die anderen Sachen bekomme ich von einem Biogroßhändler.“

Was hat Sie zu dieser Tätigkeit geführt?

Christine Helm: „Ganz früher war ich Polizeibeamtin, auch ein notwendiger Beruf. Menschen liegen mir einfach am Herzen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mein Herz eindeutig für diese Sache schlägt. Ich hatte zuvor schon einmal einen Bioladen, in dem ich auch gekocht habe. Aber auch in der Bio-Szene wird alles verpackt. Es geht nur um die Optik, doch bei der Nachhaltigkeit hört ,Bio' einfach auf. Dann habe ich in Münster einen Unverpackt-Laden besucht, das Konzept fand ich ganz toll. Denn man macht sich vor dem Kauf Gedanken: Was brauche ich wirklich? Welche Behälter nehme ich mit? Das Produkt Lebensmittel hat eine ganz andere Wertigkeit, man läuft nicht einfach durch den Supermarkt und nimmt mit, worauf man spontan Lust hat, sondern man geht bewusst in den Laden. Das Nahrungsmittel hat dann eine ganz andere Wertigkeit.“

Was können wir als Bürger*innen tun, um regionale Bauern zu unterstützen, Plastik zu vermeiden und nachhaltiger zu werden?

Christine Helm: „In meinem Laden einkaufen! Ich beziehe es von den Erzeugern, die nachhaltig wirtschaften und habe nur bio-zertifizierte Ware. Ansonsten sollte man bei den Erzeugern selbst einkaufen oder Supermärkte darauf ansprechen, warum sie so viel verpacken und ständig nachbohren. Warum gibt es noch Plastiktüten, keine Papiertüten, warum ist alles nochmal verschweißt? Solche Ware sollte man liegenlassen, was aber natürlich auch nicht immer geht."

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Christine Helm: „Ich möchte hier, für diese Gegend kochen. zweimal in der Woche eine vegane Suppe, zum Mitnehmen, anders geht es ja gerade nicht. Dann möchte ich eine Emma Unverpackt-Leseecke einrichten mit Literatur zum Thema Zero Waste, auch für Kinder. Dazu bedarf es einer kleinen Kaffee-Ecke, wo sich die Leute auch an meinem Kuchen bedienen können und miteinander ins Gespräch kommen. Ich möchte auch noch ein Lastenfahrrad anschaffen, um einen Lieferservice für die älteren Herrschaften anbieten zu können. Eigentlich müsste ich mich verdoppeln. Im Moment führe ich den Laden noch allein."

Es gehört ja schon viel Mut dazu, in diesen Zeiten einen neuen Laden zu eröffnen. Warum ließen Sie sich nicht von Corona abbringen?

Christine Helm: „Ich bin ein Lebensmittelgrundversorger, die Leute haben jetzt Zeit zu kochen und jetzt wollen sie Qualität auf dem Teller.“

Fotos: FBB-Archiv