Klinikstandort: Gemeinderat stoppt Entscheidung

29Juli
2022

Zu viele offene Fragen, zu wenig Konsens: Wo das künftige Zentralklinikum Mittelbaden gebaut werden wird, bleibt offen. Der Gemeinderat stimmte am vergangenen Montag dafür, die Entscheidung zu vertagen. Treibende Kraft des Vertagungsantrags war die FBB.

So viele Besucher auf der Tribüne des Ratssaales hat man selten gesehen. Viele Bürger waren gekommen. Und das zeigt die Brisanz des Themas Klinikstandort: Den Menschen ist es wichtig zu wissen, wohin und vor allem wie weit die Ambulanz fahren muss, wenn sich zu Hause ein Notfall, ein Schlaganfall oder gar ein Herzinfarkt ereignet. In solchen Momenten zählen Minuten.

Erfolg für den Vertagungsantrag

Da der Klinikstandort eines der wichtigsten Themen der Stadt ist, hatte die FBB zusammen mit der CDU-Fraktion und den Freien Wählern einen Vertagungsantrag gestellt. 20 Stimmen waren dafür, dass die Entscheidung über den Standort vertagt wird, 18 Stimmen hätten das Thema gern am Montag verabschiedet, darunter auch Oberbürgermeister Dietmar Späth.

Die Kostenfrage

Martin Ernst, FBB/FW-Fraktionsvorsitzender, sagte zum Vertagungsantrag seiner Fraktion: „Wenn wir die Frage der Betreiber- und Investorenseite jetzt nicht stellen, wann dann?“ Er deutete auf die Wichtigkeit der Entscheidung für den Standort hin und ermunterte, dieses Thema zu durchdenken und auch die Finanzierung im Blick zu haben, ansonsten drohe Ungemach: „Wir stellen einen Blankoscheck aus ohne Wissen der künftigen Kosten.“

40 Prozent der Kosten fallen auf Baden-Baden

Fakt ist: Bislang ist der Stadtkreis Baden-Baden mit 40 Prozent an den Kosten des KMB beteiligt, der Landkreis Rastatt mit 60 Prozent. Dietmar Späth sicherte in der Sitzung zu, die Anteile Baden-Badens und dessen finanziellen Beitrag am Klinikum Mittelbaden (KMB) neu verhandeln zu wollen. Ob er damit durchkommt, bleibt jedoch abzuwarten.

Fünf Flächen kommen für den Klinikneubau in Frage

Das Klinikum Mittelbaden hatte das Unternehmen Endera Krankenhausberatung damit beauftragt, fünf mögliche Standorte für den Klinikbau zu bewerten. Der Münchfeldsee und das Merzeau-Gelände in Rastatt erhielten die beste Bewertung. Auf den weiteren Plätzen folgten die Flächen in Baden-Baden: das Grundstück bei der Klinik Balg, das Gebiet Wörnersangewand Haueneberstein und weiterhin Weiher Sandweier. Wäre es nach dem Rathaus gegangen, so hätte der Gemeinderat am vergangenen Montag für den Standort am Münchfeldsee in Rastatt stimmen sollen.

Die Bürger besser informieren

Damit gewinnen vielleicht auch die Bürger etwas Zeit, um sich eine Meinung zu bilden – und ihre Fragen an die Stadtverwaltung sowie das KMB zu richten. Fest steht: In Sachen Bürgerschaft mitnehmen haben es weder das Klinikum Mittelbaden noch die Stadtverwaltung in Baden-Baden bisher geschafft, solide zu informieren. Dabei betrifft die Entscheidung, wo das Klinikum gebaut wird, tatsächlich die breite Bevölkerung.

Balg erhalten

Eine Baden-Badener Bürgerinitiative wirbt dafür, den Klinikstandort Balg zu erhalten und zu erweitern. Eines der Argumente der Initiative von Matthias Hirsch und Mike Brandau ist der Verlust von rund 2.000 Arbeitsplätzen in Baden-Baden.

Kritik eines Notarztes

Interessant liest sich in diesem Zusammenhang auch der Leserbrief eines Notarztes. Dr. Winfried von Loga schreibt auf goodnews4: „In der mit Verspätung entfalteten Klinikum-Standort-Diskussion fehlt die für mich wichtigste Frage: Die schnelle Erreichbarkeit des Hauses bei akuten Notfällen. Als langjähriger Notarzt in Baden-Baden kenne ich diese Problematik gut. Für die zwei wichtigsten und häufigsten Notfälle unserer Zeit, dem Herzinfarkt und dem Schlaganfall, sind die ersten 15 Minuten entscheidend …Für die Anwohner aus dem Murgtal, Lichtental, Oberbeuern, Geroldsau, aber auch Bühl ist das Klinikum Balg am besten erreichbar. Bei einem Standort in Rastatt würden sich im Falle eines akuten Notfalls die Genesungs-Chancen für die Anwohner aus den genannten Stadtteilen erheblich verschlechtern.“ Auch er plädiert für den Erhalt des Baden-Badener Klinik-Standortes Balg.

Fotos: Ben Becher