Immer mehr arme Kinder in der Kurstadt

29Juni
2023

Seit 2018 steigt die Zahl der Kinder in Baden-Baden, die von Armut betroffen sind. Die Armutsquote stieg in dieser Zeit um rund 30 Prozent. Ein Präventionsnetzwerk soll nun Abhilfe schaffen.

„Diese Zahlen schockieren jeden“, sagte Heinrich Liesen, als er diese im Jugendausschuss hörte. Mindestens jedes fünfte Kind ist in unserer angeblich wohlhabenden Stadt von Armut betroffen. „Doch wenn man die Ursachen genannt bekommt, stellt man fest, dass die Kinderarmut in Baden-Baden nicht sein muss.“ Der Stadtrat der FBB erfuhr von Sozialbürgermeister Roland Kaiser, dass Leistungen oft gar nicht in Anspruch genommen werden, etwa, weil sie im Detail nicht bekannt sind, weil ein Antrag für betroffene Familien oft zu kompliziert ist – und dass es zwar zahlreiche Angebote von Vereinen oder Privatpersonen gibt, diese aber nicht koordiniert sind.

Angebote sind da – doch oft haben sie „nur“ Bildungsziele

„Es gibt in Baden-Baden einige Hilfs- und Beratungsangebote für armutsgefährdete Familien und Kinder, wie etwa die Baden-Badener Lernunterstützung oder Frühe Hilfen“, fügt Tommy Schindler hinzu, der ebenfalls für die FBB im Jugendausschuss mitentscheidet. „Doch die meisten dieser Offerten haben ein anderes Ziel, so etwa schulische Förderung, Sprachförderung, monetäre Unterstützung durch Kauf von Schulausstattung, Leseförderung, Elternunterstützung in Kita und Schule durch Elternmentoren und dergleichen mehr.“

Ziel ist eine wirksame Präventionskette

Das Problem ist: Viele Aktive agieren nebeneinander, weitgehend ohne voneinander zu wissen oder sich – bestenfalls – miteinander abzustimmen. Eine koordinierte, mehrere Angebote umfassende „Präventionskette“ zur dauerhaften Reduktion armutsbedingter Auswirkungen auf Bildungs- und Teilhabechancen bestehen in Baden-Baden nicht. Das soll sich nun mit einem Präventionsnetzwerk ändern.

Geld vom Land

Deshalb hat das Land nun ein Förderprogramm aufgelegt: Bis Ende 2025 sollen 100.000 Euro dafür fließen. Die Landesregierung hat im Frühjahr die Kommunen aufgefordert, beim „Präventionsnetzwerk gegen Kinderarmut“ mitzumachen.

Benachteiligt, von Anfang an

Denn Kinder, die in Armut aufwachsen, sind möglicherweise ihr ganzes Leben lang benachteiligt: Ihre Möglichkeiten an der gesellschaftlichen Teilhabe sind beschränkt, ebenso ihre Bildungschancen. Armut wirkt sich auch negativ auf die persönliche Gesundheit aus. Es gibt also viele Gründe, Armut bereits bei den Kleinsten zu bekämpfen. Die Baden-Badener Stadtverwaltung will sich nun an dem Projekt beteiligen. Der Jugendhilfeausschuss billigte in seiner jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit die geplante Umsetzung des vom Land geförderten Projekts.

Viele Stellen sollen sich vernetzen

Das Projekt Präventionsnetzwerk soll nun auch in Baden-Baden Helfer zusammenführen: So sollen ihm etwa die Träger der offenen Jugendarbeit angehören, Bildungseinrichtungen, das Jobcenter, Kinder- und Familienzentren, Jugendtreffs, die Schulsozialarbeit, die Sucht- und Behindertenbeauftragte, Schuldnerberatung und die Psychologische Beratungsstelle.
Start schon im September
Bereits im September soll das Projekt in Baden-Baden starten. Um es zu betreuen, soll eine Halbtagskraft eingestellt werden, zunächst für zwei Jahre. Wenn damit das stumme Leiden von Kindern, die nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, gemildert werden kann, dann ist das Geld für diese Stelle sicherlich gut investiert.

Foto: Pexel