Gedenkveranstaltung zu Auschwitz: Wo war die OB?

31Januar
2020

Am Sonntag fand in Baden-Baden ein bewegendes Treffen vieler Organisationen auf dem Augustaplatz zum Gedenken an Auschwitz statt – wir berichteten. Viola Liesen, FBB, fand es traurig, dass sich niemand von der Stadtverwaltung blicken ließ. Und schrieb einen Leserbrief ans BT. Den wollte man aber nicht drucken.

Seid nicht gleichgültig!

„In Bühl war Oberbürgermeister Schnurr dabei, in Rastatt kam als Stellvertreter des OB Stadtrat Roland Walter. Und bei der Gedenkveranstaltung in Baden-Baden? Die Rathausspitze glänzte durch Abwesenheit. Keine OB, keine Bürgermeister, nur zwei Mitglieder des Gemeinderates (FBB und Grüne) von vierzig“, schreibt Viola Liesen. „Wenigstes zwei, die gemeinsam mit vielen engagierten Bürgern der Stadt der Opfer des Nationalsozialismus gedachten. Und der über hundert jüdischen Mitbürger aus Baden-Baden, die vertrieben, verhöhnt, verschleppt, deportiert, in den KZs ermordet wurden. Wie hat ein Überlebender des Holocaust bei der Gedenkstunde zur Befreiung in Auschwitz gemahnt: SEID NICHT GEICHGÜLTIG! Diese „Gleichgültigkeit“ gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern durch Rathaus und Gremien unserer Stadt erschreckt. Zum Beispiel wenn es darum geht, einen würdigen Platz für den Wiederaufbau der niedergebrannten Synagoge zu finden. Ein bisschen mehr Verantwortung und Sensibilität angesichts des fürchterlichsten Verbrechens der deutschen Geschichte wäre zu hoffen.“

Reaktion des BT

So weit die Mail, die Viola Liesen ans BT schickte. Wenige Stunden später kam die Antwort. Sarah Reith, Stellvertretende Redaktionsleiterin der Lokalredaktion Baden-Baden/Bühl, schrieb: „Vielen Dank für die Zusendung Ihres Leserbriefs, den wir aber leider nicht veröffentlichen können. Sie unterstellen der Baden-Badener Stadtspitze und einem Großteil des Gemeinderats, sie seien bewusst der Holocaust-Gedenkveranstaltung ferngeblieben. Eine solche Tatsachenbehauptung müssen wir vor einer Veröffentlichung (auch im Rahmen eines Leserbriefs) natürlich überprüfen. Unsere Nachfrage bei der Stadtverwaltung hat ergeben, dass die Rathausspitze zu der Veranstaltung von Pulse of Europe vom Sonntag keine Einladung erhalten hatte. Anders als bei den Veranstaltungen in Bühl und Rastatt am Montag, mit denen Sie die Zusammenkunft vergleichen, handelte es sich in Baden-Baden offenbar nicht um eine Veranstaltung der israelitischen Kultusgemeinde. Eine solche gab es auch in Baden-Baden, und zwar am Montag in Form einer Stadtführung. An dieser hat Bürgermeister Roland Kaiser teilgenommen. Weil die sich daran anschließende Gedenkveranstaltung der Gemeinde zeitgleich mit der Gemeinderatssitzung stattfand, nahm an dieser Petra Heuber-Senger in Vertretung der Rathausspitze teil. Oberbürgermeisterin Margret Mergen hielt zeitgleich im Gemeinderat als allerersten Punkt der Tagesordnung eine Gedenkminute ab und verlas die Namen aller in Auschwitz ermordeten Baden-Badener Bürger. Vermutlich waren Ihnen diese Umstände nicht bekannt?“

Nachfrage bei der Koordinatorin der Veranstaltung vom Sonntag

FOKUS fragte bei Evelin Wirbitzky nach, eine der Organisatorinnen von Pulse of Europe Baden-Baden, ob die Stadtverwaltung eingeladen wurde. Pulse of Europe hatte für die Veranstaltung die Organisation übernommen.

Evelin Wirbitzky: „Tatsächlich haben wir die Stadtverwaltung nicht explizit eingeladen. Das Einladen war auch nicht unser Gedanke. Wir wollten aktive Gruppen zusammen bringen, die die Steine reinigen und dann eine würdige gemeinsame Veranstaltung organisieren. Das ist uns ja auch gelungen. Ich habe dazu eine Presse-Mitteilung ans BT verschickt. Es gab dazu einen Newsletter, eine Ankündigung auf Facebook und auf unserer Pulse of Europe-Städteseite.“

Die Veranstaltung war vorangekündigt, die israelitische Kultusgemeinde war vertreten

Fazit: Die Gedenk-Veranstaltung am Sonntag wurde über viele Kanäle bekannt gegeben, unter anderem durch eine Notiz im BT. Einladungen waren nicht vorgesehen und durch die breite Berichterstattung auch nicht notwendig. Veranstalter war zwar nicht die israelitische Kulturgemeinde, jedoch war Rabbi Daniel Naftoly Surovtsev als Redner und Repräsentant anwesend – er betreut Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden seit ein paar Jahren. Anwesend waren außerdem Repräsentanten der Baden-Badener Kirchengemeinden, Mitglieder des Arbeitskreises Stolpersteine Baden-Baden, des Theaters, Organisatoren von Pulse of Europe Baden-Baden und Karlsruhe sowie Schüler und Konfirmanden, die sich ebenfalls an der Reinigung der Stolpersteine beteiligt hatten. Man kann sagen: Baden-Baden war würdig vertreten – zumindest von diesen genannten Gruppen.

Späte Notiz im BT

Die Tatsache, dass man der Opfer von Auschwitz bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag gedachte, fand erst am Mittwoch Erwähnung im BT – nicht aber schon am Dienstag, wie andere Themen der Sitzung.

Foto: Die Synagoge Baden-Baden auf einer Briefmarke (1988) der Deutschen Bundespost zur Erinnerung an die Reichskristallnacht 1938