Die Misere der Kliniken – es wird ernst

02November
2023

Die Krankenhäuser in der Region sind in einer finanziell dramatischen Lage. Besonders das Klinikum Mittelbaden macht ein großes Minus, mit mindestens zehn Millionen für dieses Jahr. Dafür müssen Rastatt und Baden-Baden aufkommen. Diese Nachricht besorgt Martin Ernst, Chef der FBB.

Schon oft hat er sich dazu geäußert – jetzt erneut gegenüber goodnews4. Der Gründer der FBB hinterfragt, ob es nur zehn Millionen Euro sind, die der Land- und Stadtkreis zuschießen müssen. „Meine Informationen sind bei der doppelten Zahl, nämlich bei zwanzig Millionen Euro.“

Sofort handeln, mahnt der FBB-Chef

Martin Ernst bewertet die Situation für das Klinikum Mittelbaden als sehr dramatisch. Die Minuskurve könnte Baden-Baden noch härter treffen. „Wenn die Klinik pleitegeht, kommt ein Insolvenzverwalter, der sehr schnell feststellt, dass zwei sehr solvente Gesellschafter da sind, nämlich der Landkreis und die Stadt Baden-Baden. Das Klinikum selbst ist bei den Banken schon längst zahlungsunfähig, nur durch die Bürgschaften der beiden Gesellschafter lebt diese Gesellschaft noch. Das heißt also die Stadt Baden-Baden und der Landkreis wären voll nachschusspflichtig“, sagte Martin Ernst im goodnews4-Interview. Und er formulierte auch seine Enttäuschung über die Rathausspitze. „Wenn ich so sehe, wie unser Oberbürgermeister zu seinem Amt kam, er hat sich nämlich unseren Wählern dargestellt als der absolute Finanzfachmann, und jetzt stellen wir fest, dass das alles unter Vorspiegelung falscher Tatsachen war. Ich fordere den Landrat und unseren Oberbürgermeister auf, dass er sofort handelt und in die Gremien reingeht und sagt, dass wir uns das auf diese Art und Weise nicht mehr leisten.“

Sind die Bürger medizinisch noch gut versorgt?

So viel die Forderung an die Politiker. Doch die Misere in den Kliniken betrifft die Bürger der Kurstadt und auch das Personal buchstäblich hautnah. Denn die Gesundheitsversorgung in Baden-Baden kommt langsam aber sicher in die Schieflage: Das Klinikum in Balg schreibt keine guten Zahlen. Dass es eines Tages geschlossen wird, scheint besiegelt. Doch der Bau des Großklinikums – Wo? Wie? Mit welcher Ausstattung? Und für wie viel Geld? – ist mit vielen Fragen behaftet, die längst nicht beantwortet sind. Die Sache zieht sich.

Ärzte wandern ab

Gleichzeitig wandern fähige Ärzte, die im Klinikum Balg tätig waren oder es noch sind, ab. Wer will schon in einer Klinik bleiben, in die nicht mehr ausreichend investiert werden kann? Niedergelassene Ärzte, so erfuhren die FBB NEWS, empfehlen Baden-Badenern für diverse Behandlungen bereits andere Kliniken in der Umgebung – aber nicht Balg.

Was machen die Diskussionen mit dem Klinik-Personal?

Doch noch eine andere Frage stellt sich: Wie wirken sich Diskussionen um Geld und Schließung auf die Ärzte, Schwestern und Pfleger in Balg aus? Wie motiviert können sie sein, wenn es an Ressourcen jeder Art und an Zuspruch fehlt? So lange es kein neues Großklinikum gibt, muss man sich daran halten, was man hat. Es hegen und pflegen. Auch das Personal dort nach Leibeskräften zu unterstützen, ist jetzt eine wichtige Aufgabe. Man kann und muss über Zahlen reden. Doch es muss in allen Diskussionen auch um die Menschen gehen: um die Patienten, aber auch um das Personal, das die kranken Menschen fachgerecht versorgen soll und muss.

Kritik schon im Vorfeld

„Das geplante Großklinikum ist viel zu klein geplant“, erfuhren die FBB NEWS von einem in Balg tätigen Arzt, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er hegt Zweifel. An viele Versorgungseinheiten sei im Vorfeld nicht ausreichend gedacht worden. Man hoffe, so berichtete er der Redaktion, dass Fachpraxen, wie etwa für Dialyse, dem neuen Großkliniken einfach auf eigene Rechnung folgen werden. Reicht eine Hoffnung für eine solide Planung?

Das Großklinikum neu denken

Eine gute medizinische Versorgung muss für die Bürger der Kurstadt sicher sein, ebenso wie die Planung für das Großklinikum sorgfältig überdacht werden muss. Martin Ernst formulierte es im goodnews4-Interview drastisch: „Die Forderung der FBB ist ja schon lange, dass wir den Reset-Knopf drücken. Diese ganzen Planungen sind ja Jahre alt, wir haben heute eine vollkommen neue Situation – wir haben Pandemie, wir haben Krieg, wir haben viele Dinge, die es damals bei diesen Planungen nicht gab – und trotzdem rennen die ganzen verantwortlichen Räte im Landkreis und hier bei der Stadt Baden-Baden wie Lemminge in den Abgrund weiter. Wir müssen sagen: Stopp jetzt, wir überlegen neu!“

Foto: Tommy Schindler