„Die Kita-Kosten fressen einen großen Teil des Gehalts“

01Oktober
2019

Mitte September wurde das sogenannte Gute-Kita-Gesetz in Baden-Württemberg unterzeichnet. Demnach sollen Bundesmittel in Höhe von 729 Millionen Euro in unser Bundesland fließen. Doch, helfen die Mittel auch, die Eltern finanziell zu entlasten? Tommy Schindler, Stadtrat der FBB, über die Stimmung in Baden-Baden.

Mit dem Gute-Kita-Gesetz wird der Bund bis 2022 in Baden-Württemberg rund 729 Millionen Euro investieren. Damit unterstützt er die Länder bei der Verbesserung der Kita-Qualität mit insgesamt 5,5 Milliarden Euro, um die Kindertagesbetreuung in Deutschland weiterzuentwickeln. Die 16 Länder entscheiden selbst, welche konkreten Maßnahmen sie vor Ort ergreifen. In Baden-Württemberg will man vor allem in qualifizierte Fachkräfte, eine starke Kitaleitung und in eine starke Kindertagespflege investieren. Nun müssen zunächst Formalien erledigt, etwa mit allen Bundesländern Verträge zum Gute-Kita-Gesetz geschlossen werden, bis die Gelder fließen. Bis dahin wird einige Zeit vergehen. Und die Gretchenfrage bleibt: Werden Eltern finanziell entlastet?

Herr Schindler, wecken die 729 Millionen Euro Hoffnung?

Tommy Schindler: „Nur begrenzt. Das Geld soll nach jetzigem Stand überwiegend in die Aufstockung des Personals fließen und insgesamt die Qualität der Kitas steigern. Kostenfreie Kitas wird es höchstwahrscheinlich nicht geben. Eine Entlastung der Eltern rückt also in weite Ferne.“

Seit der Erhöhung der Kita-Beiträge im Frühsommer gibt es wachsende Aufregung. Wie hoch sind die Kosten jetzt, und wie hoch waren sie bislang?

Tommy Schindler: „Die Beiträge variieren stark und hängen unter anderem von der Anzahl der Kinder, von den Betreuungszeiten, dem Alter der Kinder und weiteren Punkten ab. Eine Mutter von drei Kindern hat mir diese Berechnung aufgestellt. Eine Familie mit drei Kindern (2, 4 und 7 Jahre) lässt alle drei Kinder täglich betreuen. Die Jüngeren sind in der Ganztagesbetreuung im Kindergarten, das ältere Kind besucht die Nachmittagsbetreuung der Schule. Schulkind inklusive Essen: 226 Euro pro Monat. Kita-Kinder zusammen, inklusive Mahlzeiten: 782 Euro. Das sind zusammen rund 1000 Euro. Hier handelt es sich quasi um das ,volle Programm’, also den Maximalbetrag unter Ausnutzung aller Angebote. Die Mutter, die sich bei der letzten Gemeinderatsitzung zu Wort gemeldet hat, zahlt für ihre drei Kinder zum Beispiel 775 Euro im Monat, was für eine Familie eine Menge Geld ist. Inzwischen haben sich die Preise in städtischen Einrichtungen um drei Prozent erhöht. Meist übernehmen dann andere Einrichtungen diese Preiserhöhung ebenfalls.“

Haben Sie, neben der Mutter, die sich bei Ihrer ersten Gemeinderatssitzung entrüstet zu Wort meldete, noch mehr Protest mitbekommen?

Tommy Schindler: „Es haben sich noch zwei weitere Mütter gemeldet. Eine aus der Weststadt und eine aus Geroldsau, jeweils auch mit drei Kindern. Es ist auffallend, dass sich die Bereitschaft zum Protest mit der Anzahl der Kinder erhöht.“

Und was ist das Kernthema des Protests?

Tommy Schindler: „Es geht primär um die Kosten. Wenn sich eine Mutter dazu entschließt, in Vollzeit zu arbeiten, fressen die Kita-Kosten einen großen Teil ihres Gehalts wieder weg. Da machen sich manche Mütter darüber Gedanken, warum sie überhaupt noch arbeiten gehen. Und viele weitere junge Paare, die noch keine Kinder haben, werden sich überlegen, ob sie überhaupt welche bekommen sollen. Das käme einem schleichenden Ausverkauf unserer Gesellschaft gleich.“

Wie hat sich die Stadt bislang zum Protest der Mutter geäußert, die sich bei der Gemeinderatssitzung zu Wort meldete?

Tommy Schindler: „Nach dem Vortrag der Mutter im Gemeinderat hat sich Bürgermeister Kaiser eingehend zu dem Thema geäußert. Er hatte durchaus Verständnis für die Situation.“

Was ist Ihr Ziel in Sachen Kitakosten?

Tommy Schindler: „Dass Familien mit Kindern entlastet werden. Das ist ein Muss! Wir müssen daran gehen, möglichst viel Entlastung für unsere Familien in Baden-Baden zu erreichen. Eine völlig kostenlose Betreuung der Kinder wäre zwar wünschenswert, aber dies erscheint mir fast utopisch aufgrund der immensen Kosten.“

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