Bewährungsprobe für die deutsch-französische Freundschaft

28April
2020

Pendler, die aktuell die deutsch-französischen Grenzen der Region passieren müssen, kämpfen mit langen Wartezeiten. Die Unzufriedenheit wächst. Und nicht nur das: Franzosen wurden von Deutschen übel beschimpft. Die Aktion „Die Grenzen schließen sich, aber nicht unsere Herzen“ kommt gerade recht.

Noch rund zwei Wochen sollen die Grenzen nach Frankreich geschlossen bleiben. Pendler dürfen zwar in beide Richtungen passieren, aber nur, wenn sie zur Arbeit oder zum Arzt müssen, Waren transportieren oder sonst einen triftigen Grund haben. Entsprechende Papiere müssen sie mitführen.

Kein fairer Umgang mit den Nachbarn

In den vergangenen Wochen hatten sie mit langen Wartezeiten an den Grenzen zu kämpfen. Das zehrte an den Nerven – ebenso wie die Auflagen, die man den elsässischen Arbeitnehmern diesseits des Rheins macht: So darf eine Krankenschwester aus Beinheim, die in Balg arbeitet, nicht ihre Heimfahrt nach Frankreich unterbrechen, um in Deutschland einzukaufen – es sei denn, an Tankstellen. Auch dies war bis Ende vergangener Woche noch untersagt. Sonst droht ein Bußgeld. Warum man die Arbeitsleistung der französischen Nachbarn gern in Anspruch nimmt, die Menschen aber nicht bei uns einkaufen lässt, ist nicht nachvollziehbar. Geht man so mit Freunden um, bei den man in guten Zeiten so gern Käse und Baguette, Rotwein und Crémant einkauft?

Schlimme Anfeindungen

Noch gravierender ist das, was sich in den vergangenen Wochen im Saarland oder in der Südpfalz abspielte: Seitdem das RKI das Elsass zum Risikogebiet für Covid-19 erklärte, gab es Anfeindungen und Beleidigungen von Franzosen in einem heftigen Ausmaß. So sollen Autos mit französischen Kennzeichen mit Eiern beworfen worden sein. In Supermärkten sollen Französisch sprechende Kunden beschimpft und aufgefordert worden sein, nach „Corona-Frankreich“ zurückzukehren. In Apotheken wurden Franzosen beschuldigt, den Deutschen Medikamente wie Paracetamol wegzukaufen.

Ein Manifest für den Zusammenhalt

Was in friedlichen Zeiten harmoniert, explodiert auf einmal in einer Krisensituation: Es kommt zu Hass. Um dem entgegenzuwirken, haben nun Bürgermeister, Politiker und Institutionen diesseits und jenseits des Rheins ein Manifest formuliert, das den Titel trägt: „Die Grenzen schließen sich, aber nicht unsere Herzen“ – „Les frontières se referment, mais pas nos coeurs.“ Zu den Initiatoren gehören Matthias Ackermann, Bürgermeister von Bad Bergzabern und René Richert aus Riedseltz bei Wissembourg. Darin appellieren sie an alle Bürger, nicht zuzulassen, „dass ein Virus eine Freundschaft zerstört. Wir verfügen über starke Grundlagen, auf die wir aufbauen können.“ Dem Aufruf der beiden Ortschefs haben sich in wenigen Tagen fast 200 politische Entscheider aus der Grenzregion angeschlossen.

Brandbrief nach Stuttgart

Auch der Karlsruher Bürgermeister Frank Mentrup, Vorsitzender der Technologie-Region Karlsruhe, hat sich mit einem Brandbrief an das Staats- und Sozialministerium in Stuttgart gewandt, indem der die Diskriminierung an der Grenze kritisiert hat. Darin forderte er: „Wie zu Beginn der Krise sollte die Grenzpolizei diejenigen zügig durchwinken, die eine gültige Arbeitsbescheinigung als Passagierschein sichtbar an der Frontscheibe ihres Fahrzeugs angebracht haben. Und die Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit gehört umgehend abgeschafft!“

Unterstützung von höherer Stelle

Frank Scherer, Landrat des Ortenaukreises, hat ebenfalls Stellung genommen. Er soll das Thema bereits mehrfach im Innenministerium in Stuttgart angesprochen haben. Der südpfälzische Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart hat versprochen, das Problem der elsässischen Grenzgänger in Berlin an Innenminister Horst Seehofer zu adressieren.

Endlich ein Zeichen der Hoffnung für Pendler

Die Landesregierung Baden-Württemberg zeigte sich zum Wochenende einsichtig: Vier weitere Grenzübergänge, darunter der an der Wintersdorfer Rheinbrücke, sind seit dem gestrigen Montag geöffnet. Das wird viele Pendler freuen, die große Umwege fahren mussten, um besonders dichte Grenzübergänge zeitaufwändig zu umfahren. Ab 4. Mai fährt Daimler in Rastatt seine Produktion hoch, viele Elsässer werden dann ihre Arbeit wieder aufnehmen. Auch deshalb bedeutet die Öffnung der Wintersdorfer Rheinbrücke eine große Entlastung.

Lob von Emmanuel Macron

Zum Glück gab es in dieser schwierigen Zeit auch Beispiele von Solidarität und Freundschaft zwischen den beiden Ländern: So hat Baden-Württemberg Corona-Patienten aus Frankreich aufgenommen und behandelt, wofür es Lob von höchster Stelle gab: von Staatspräsident Emmanuel Macron.

Foto: Ben Becher