Zumutung Baden-Baden-Linie

27November
2017

Baden-Baden ohne seine stinkenden und ratternden Busse das ist wie ein Leben befreit von Kopfschmerzen. Allerdings:

ohne öffentlichen Nahverkehr würde die Bäderstadt schnell unter einer Blechlawine von parkenden Autos verschwinden. Wir brauchen also unseren öffentlichen Nahverkehr mit seinen 47 Bussen.Fragt sich nur, ob unser so genanntes Weltbad ausgerechnet diesen öffentlichen Nahverkehr will. Wäre es nicht besser, wenn wir beispielsweise in der Tallinie zwischen Bahnhof Oos und Lichtental eine Straßenbahn pendeln ließen? Straßenbahnen brauchen viel Platz auf der Straße oder neben ihr – will man das? Oder wollen wir weiterhin 1,2 Millionen Liter Diesel durch die Auspuffe unserer städtischen Busse jagen (so viel verbrauchten die im Jahr 2016) und damit den Feinstaub und den Gestank aus unserer Busflotte in Kauf nehmen? Wären nicht Elektrobusse eine freundlichere (und stillere) Alternative, mal abgesehen, dass man die Straßenbeläge ja auch ausbessern könnte um die Busse etwas sanfter rollen zu lassen. Wir sollten also die Systemfrage diskutieren: weiter mit den Uraltbussen über die bekannten Rüttelstrecken oder Nachdenken über einen öffentlichen Nahverkehr, der nicht wie eine Kollektivstrafe für seine Fahrgäste daherkommt.

Unser öffentlicher Nahverkehr in Baden-Baden funktioniert so gut wie das Park+Ride-System am Kreisel in Oos, nämlich in Wahrheit gar nicht. Seine Hauptkunden sind Schüler und alte Leute, für den Normalbürger sind die Busse zu unbequem, weshalb er nicht in diese Busse einsteigt; zu unpünktlich, zu laut, zu stinkend, man wird zu schnell seekrank weil die Fahrer ihren viel zu eng getakteten Fahrplänen hinterher rasen. Dazu: für diese armselige Dienstleistung des öffentlichen Nahverkehrs in Baden-Baden sind die Fahrpreise auch viel zu teuer. Es ist eine altbekannte Tatsache, dass so ein Busverkehr nur angenommen wird, wenn er den Standards seiner Kunden entspricht. Das tut die Baden-Baden-Linie nicht. Sie müsste bequemer, billiger und enger getaktet sein. Und sie müsste auch überall nachts fahren. Viele Städte denken sogar darüber nach, ihren öffentlichen Nahverkehr kostenfrei anzubieten: das entlastet die Stadt vom Individualverkehr. Als Ausgleich hebt man die Parkgebühren drastisch an. Aber damit dieser Nahverkehr auch angenommen wird, muss er die Stadt und ihre Außenbezirke realistisch erschließen: Busse, vermutlich Elektrobusse, müssen viel öfter fahren und so freundlich und bequem daherkommen wie beispielsweise die Busse in der Schweiz, wo z. B. die Stadt Zermatt ihren öffentlichen Nahverkehr kostenfrei anbietet, dafür aber im Gegenzug die Stadt total für den Individualverkehr gesperrt hat. Da gibt es nur Fußgänger … und eben den öffentlichen Nahverkehr.

Wir brauchen also einen öffentlichen Nahverkehr, der gerne von allen (!!) Bürgern genutzt wird. Mit Bussen, die ökologisch sinnvoll sind, alternativ vielleicht eine moderne Straßenbahn (wie z. B. in Straßburg). Und einen eng und benutzerfreundlich getakteten Fahrplan, so dass man immer und überall auch diesen öffentlichen Nahverkehr nutzen möchte, weil er einen überall (auch nachts!) hinbringt. Und weil der öffentliche Nahverkehr sowieso schon subventioniert wird und nirgendwo kostendeckend fährt, sollte man darüber nachdenken, ihn ab sofort kostenfrei anzubieten, das spart ja nebenbei auch noch die Fahrkartenautomaten.

Foto: Ben Becher