„Für mich ist der Mensch das Maß aller Dinge – erst recht bei der Stadtentwicklung“

03Mai
2019

Welche Visionen haben die Bürger von Baden-Baden? Was treibt sie an? In dieser Serie stellen wir Woche für Woche ein Mitglied der FBB vor. Heute: Mathias Welle

Herr Welle, seit wann sind Sie bei der FBB?

Mathias Welle: „Ich bin seit einem guten Jahr dabei.“

Warum sind Sie beigetreten?

Mathias Welle: „Weil mir die drei Buchstaben FBB gut gefallen haben: F steht für Freiheit oder Freigeist, bedeutet: frei denken, handeln und frei entscheiden. BB steht für Baden-Baden: Diese Stadt habe ich mir als Wohnort ausgewählt, weil ich mich hier schon immer wohlgefühlt habe. Baden-Baden ist für mich die kleine Schwester von Paris, meinem früheren langjährigen Wohnort. Mir geht es um das Wohl unserer Stadt.“

Wie kamen Sie zur FBB?

Mathias Welle: „Über Martin Ernst. Er rief mich an und bat mich zu einem Gespräch. Bei diesem ist mir die FBB und er als Kopf sehr sympathisch gewesen und ich konnte mich schnell mit dem Gedanken anfreunden, hier mitzumachen.“

Wie engagieren Sie sich bei der FBB?

Mathias Welle: „Ich stelle mich zur Wahl und möchte die Stadt von innen heraus erneuern. Ein großer Schwerpunkt ist das Thema Stadtentwicklung. Dazu gehört zunächst einmal das Wohlfühlen der Menschen. Für mich ist der Mensch das Maß aller Dinge. Das geht oft verloren. Dabei sollte man, auch bei der Stadtpolitik, seine Gedanken und seine Schaffenskraft und die Entwicklung einer Stadt am Menschen messen. Es geht bei Baden-Baden um eine Wohlfühlstadt und ich habe Bedenken, dass dieser Geist in den vergangenen Jahren etwas verloren ging.“

Können Sie ein Beispiel nennen?

Mathias Welle: „Sehen Sie den Leo: Das ist das Herz der Stadt im Zentrum. Er ist saniert worden, jedoch alleinig im technischen, nicht im städtebaulichen Sinne. Seine kalte, graue Oberfläche steht vollkommen im Gegensatz zu den umliegenden herrlichen Fassaden in warmen Farbtönen. Das öde Betonmaterial passt nicht zur Stadt. Man hätte hier durchaus eine Brücke in die Moderne schlagen können. Mit Granit-Beton etwa wäre eine – bei gleicher Festigkeit – viel angenehmere helle, warme, granitartige und pastellartige Oberfläche möglich gewesen. Dieses Material besteht dann etwa zu 70 Prozent aus Naturstein wie Granit – Farbe und Art frei wählbar. Es wirkt hell und freundlich. Die Neugestaltung wäre also auch anders gegangen. Gleichzeitig hätte man auch für den Umweltschutz etwas tun können, indem mittels Einsatz von Spezialzementen im Granit-Beton Luftschadstoffe wie Stickoxyde (NOx) über Photokatalyse dauerhaft in unschädliches Stickstoffoxydanten Nitrat ( NO3 ) umgewandelt werden. Reduktionen von 15 bis 18 Prozent sind da schon machbar. Das wäre baukulturell hochwertiger Städtebau mit High-Tech-Produkten. Jetzt wirkt der Leo nur wie ein Rollfeld für Busse und die Luisenstraße wie die A5.“

Welche Lehre ziehen Sie daraus?

Mathias Welle: „So etwas darf nicht wieder passieren, wenn der Augustaplatz saniert wird: Hier ist es wichtig, den Bürgern eine zusammenhängende Fläche zum Flanieren anzubieten, bis hin zu den Fassaden der Lichtentaler Straße. Die Straße muss im neuen Platz verschwinden, Autofahrer sollten dort nur Gäste sein, in einem verkehrsberuhigten Bereich mit Schrittgeschwindigkeit. Wichtig bei der Stadt- und Verkehrsplanung: Alle müssen miteinander leben, nicht gegeneinander! Es muss ein vollkommenes Umdenken stattfinden, um die Qualität des Flanierens herzustellen und man muss Baden-Baden als Wohlfühlstadt in die Zukunft entwickeln. Das geht nur über verkehrsberuhigte Bereiche mit Gleichberechtigung aller Teilnehmer. Das Flanieren und Wohlfühlen muss sich über die ganze Stadt ausbreiten, wir brauchen ruhige Inseln in der Stadt, homogen zusammenhängende Wohlfühlplätze. Ein neues Denken muss her, damit Stadt wieder den Menschen gehört, es muss  Entschleunigung stattfinden, denn sie fördert die Lebensqualität.“

Was ist Ihr Motto?

Mathias Welle: „Es lautet: Baden-Baden nicht verwalten, sondern gestalten. Das bedeutet, dass man sich über den Durchschnitt hinaus engagieren und deshalb auch neue Wege gehen muss. Wir brauchen Pioniergeist, Kreativität, frischen Wind. Keine Angst vor Paragraphen, weil hemmend, kein Schema F! Wie sagte der Schriftsteller Franz Kafka? „Neue Wege entstehen, indem man sie geht.“

Was macht Ihnen Freude bei der Arbeit in der Wählerinitiative?

Mathias Welle: „Dass dort viele kreative Menschen zu treffen sind, wo jeder auf seine Art nach vorne blickt und tolle Ideen hat, die man zu einem Gesamtbild zusammenfügen kann – wenn man genug Sitze erreicht.“

Worüber ärgern Sie sich gelegentlich in unserer Stadt?

Mathias Welle: „Über die total maroden Straßen- und Bürgersteigverhältnisse. Das ist hier die Regel, nicht die Ausnahme. Dies gilt auch für die Fußgängerzonen. Die Bürgersteige und Straßen sind geflickt – das ist oft teurer, als sie koordiniert komplett zu sanieren. Wenn man hier Rad fährt, braucht man einen guten Zahnarzt, damit einem die Kronen nicht rausfallen. Weiterhin ärgert mich bisweilen die maximale Durchschnittlichkeit, mit der leider zu oft in dieser tollen Stadt agiert wird.“