„Es muss einen Ort geben, an dem man in die große Geschichte der Stadt eintauchen kann“

10Februar
2023

Die Auszeichnung zum Welterbe interpretiert er als Geschenk: Dr. Andreas Förderer, IHK Karlsruhe, hat ein Plädoyer für ein Welterbe-Informationszentrum gehalten. Und er warnte in seinem Vortrag davor, dieses Erbe zu verspielen.

Viel geboten wird aktuell nicht, um sich über das Welterbe in der Kurstadt zu informieren: Gut, es gibt die Pop-up-Ausstellung auf der Reinhard-Fieser-Brücke. Sie zeigt auf vier Info-Würfeln Infos, Fotos und Karten zum Welterbe in Baden-Baden und den Great Spa Towns of Europe. Viel ist es nicht, was auf diese Fläche passt. Die Stelen geben einen kleinen Eindruck, nicht mehr und nicht weniger.

Was wissen wir über das Welterbe?

Selbst Baden-Badener werden nicht wissen, was alles zum Welterbe gehört. Bei einer Welterbe-Tour durch die Stadt auf etwa drei Kilometern Länge kann man in knapp zwei Stunden an den Highlights vorbeibummeln – man kann sich aber auch fast einen Tag dafür Zeit lassen, um sich aufzumachen zur Fettquelle im Bäderviertel, zum Friedrichsbad und dem Ursprung der Quellen. Man kann die Römischen Badruinen anschauen und oben auf der Schlossterrasse die wunderschöne Aussicht genießen. Um dann hinabzuschlendern zur Lichtentaler Allee, vorbei am Theater und Kurhaus, zur Trinkhalle, um die Runde an der Stourdza-Kapelle zu abzuschließen. Die Architektur unserer Stadt ist aber erst dann gebührend gewürdigt, wenn man die historischen Villengebiete zu Fuß erobert hat: Annaberg, Beutig-Quettig, Schützenstraße, Kaiser-Wilhelm-Straße, um nur einige edle Straßenzüge zu nennen.

Die Geschichte der Stadt bewegend erzählen

Dr. Andreas Förderer von der IHK Karlsruhe ist seit 2007 seitens der IHK Karlsruhe mal mehr und mal weniger in das Projekt Weltkulturerbe Baden-Baden involviert. Er war am 31. Januar in Baden-Baden einer der Redner beim Workshop zum Thema Welterbe-Informationszentrum und sprach mit Leidenschaft dazu. Denn er weiß aus eigener Erfahrung: Gekonnte Geschichtsvermittlung ist oft der Hauptgrund für den Besuch einer Stadt.

Das Wissen muss vermittelt werden

Dass das Thema Welterbe stärker kommuniziert werden muss, liegt für ihn auf der Hand: „Inhalte, Themen, Werte brauchen immer neu Vermittlung – das ist eine bleibende Aufgabe, wenn man Wissen weitergeben will. Schulen, Volkshochschulen werden bestätigen: Nur was ansprechend, im Dialog und begeisternd vermittelt wird, bleibt hängen“, sagte er bei seinem Vortrag.

Das Thema Weltkulturerbe hat noch zu wenig Aufmerksamkeit

Obwohl es in Baden-Baden in Ansätzen viele gute Vermittlungsversuche der großen Geschichte gebe – durch das Engagement des Stadtmuseums, des Vereins Stadtbild, des Freundeskreises Lichtentaler Allee und auch durch die Stabsstelle Welterbe – habe das Weltkulturerbe Baden-Baden viel mehr Aufmerksamkeit verdient.

Ein kostbares Erbe…

Der Mann, der sich nun schon seit 15 Jahren mit der Stadtgeschichte und ihren Themen auseinandersetzt und „mal Kunstgeschichte studiert hat“, brachte es auf den Punkt: „Dieses Erbe darf in der öffentlichen Wahrnehmung nicht auf Bauvorschriften, die Angst vor Tagestouristen, ein paar Open-Air-Tafeln auf der Fieserbrücke und einen Welterbetag alle zwei Jahre reduziert werden.“

…das erklärt werden will

Vielmehr sei die Auszeichnung zum Welterbe ein Geschenk für alle: „Und damit das alle begreifen, muss es für alle ,ausgepackt‘ und ,verstehbar‘ und erlebbar werden. Es braucht also ein Vermittlungs- und Marketingkonzept mit definierten Inhalten, Zielgruppen, Vermittlungsstrategien – und dieses langfristige Konzept muss zu Baden-Baden und seinen Einrichtungen passen, mit ihnen in Schritten umgesetzt werden.“

Viele offene Fragen beantworten

Die Themen müssten „niederschwellig und professionell aufgearbeitet und auf höchstem Niveau präsentiert werden. Das Weltkulturerbe Baden-Baden hat schon Aufmerksamkeit, aber es erschließt sich nicht einfach von selbst!“ Er erlebe es immer, wenn ihn Leute ansprechen – auch Leute, die es wissen müssten: Warum ist Baden-Baden Weltkulturerbe? Was in Baden-Baden ist überhaupt Weltkulturerbe? Warum soll mich das interessieren? Wo kann ich mich informieren? Was soll ich mir von diesem Welterbe anschauen? Kenne ich nicht schon alles? Wie komme ich zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten? Was erwartet mich dort? Förderer fasste zusammen: „Solange es auf diese Fragen keine klaren Antworten gibt, stimmt etwas nicht: Dafür haben wir in den letzten Jahren nicht viel Geld und Mühe aufgewendet. Wenn die positive Botschaft des UNESCO-Titels nicht freigelegt und vermittelt wird, braucht die Stadt den Titel ja gar nicht.“

Erzählstoff gibt es genug

Sein Fazit: Es muss einen Ort geben, an dem man in diese große Geschichte der Stadt eintauchen kann – und in die kleinen Geschichten, die jede und jeden berühren und begeistern können, rund um Edouard Bénazet, Clara Schumann, Kaiser Wilhelm, Hermann Sielcken und viele andere prominente Bürger dieser Stadt.

Emmanuel Macron und Victoria Beckham sollen vorbeikommen

Förderer wurde persönlich: „Ich wünsche mir, dass ich in ein paar Jahren mit meinen Kindern in Baden-Baden in ein Besucher-Zentrum gehen kann, dass wir dort Leute aus Baden-Baden, unsere Nachbarn aus Karlsruhe, aber auch Leute wie Emmanuel Macron, Victoria Beckham, den neuen Tellerwäscher von Brenners Park-Hotel und den Kegelverein Rastatt treffen können, dass jede/jeder in ihrer/seiner Lebensrealität dort abgeholt wird, dass dort jede und jeder etwas erlebt und berührt wird – und dass am Ende Groß und Klein, Arm und Reich für immer von Baden-Baden begeistert herauskommen.“

Foto: Ben Becher