„Bei Erhöhung von Gebühren, Steuern und sonstigen Verpflichtungen wird die FBB unter keinen Umständen mitspielen“

15Mai
2020

Die Stadt musste in jüngster Zeit neue Schulden machen – und, laut OB Mergen, wird es bei den bisherigen zehn Millionen Euro wohl nicht bleiben. Wie sieht man die Lage bei der FBB? Interview mit Martin Ernst.

Herr Ernst, die Stadt hat sich zehn Millionen Neuverschuldung genehmigen lassen. Ist das aus Ihrer Sicht verständlich?

Martin Ernst: „Der Stadtkämmerer hat die Fraktionen darüber informiert, dass allein bei der Gewerbesteuer am Beschlusstag am 27. April zur Schätzung neun Millionen Euro gefehlt haben. Es ist seine Pflicht, den Gemeinderat bei jeder Abweichung zu informieren. Dass der Gemeinderat diese erneute Kreditaufnahme einstimmig genehmigt hat, zeigt, dass man in Notzeiten zusammenstehen muss und der Gemeinderat der Stadt Baden-Baden dies auch kann. Man kann diese Pandemie durchaus als Jahrhundert-Ereignis sehen. Allerdings zeigt die Kreditaufnahme auch, dass wir im vergangenen Jahrzehnt es versäumt haben, den Sparstrumpf zu füllen. Man hat vergessen, was der Volksmund seit Jahrhunderten weiß: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“
 
Wieviel Neuverschuldung, glauben Sie, kommt noch auf uns zu?

Martin Ernst: „Hier eine Zahl zu nennen, wäre Spekulation. Ich würde mich allerdings nicht wundern, wenn am Schluss Corona-bedingt 30 bis 50 Millionen Euro als zusätzliche Liquidität bei den Banken aufgenommen werden müssen.
 
Die Stadt Baden-Baden lebt ganz besonders vom Tourismus. Wir haben mittlerweile weit über eine Million Übernachtungen pro Jahr! Diese Einnahmequelle hat sich nicht nur minimiert, sondern in den vergangenen Monaten reduziert auf Null. Es fehlen nicht nur die Umsätze in den Hotels und Restaurants, es wird z. B. auch kein Fremdenverkehrsbeitrag mehr gezahlt, keine Tickets in den Museen gelöst und so weiter.“
 
Es ist davon auszugehen, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen in den Keller sacken – der Städtetag spricht von 30 Prozent weniger. Halten Sie diese Schätzung für realistisch?

Martin Ernst: „Absolut. Ich wäre zufrieden, wenn es nur 30 Prozent wären. Man sieht das ja auch im öffentlichen Leben. Die Inlandsnachfrage ist auf einem Rekordtief, die Konsumlaune gibt es, Stand heute, nicht mehr. Die Menschen haben ganz andere Sorgen. Wenn sie in Kurzarbeit sind oder gar um ihren Arbeitsplatz bangen, beschäftigt sich ihr Kopf mit vielem, doch mit dem Geldausgeben sicherlich nicht.“
 
Rechnen Sie damit, dass die Arbeitslosenquote in der Kurstadt nach oben schnellt? Wir standen zuletzt gut da.

Martin Ernst: „Ja, selbstverständlich. Dies hat mit der Kurstadt allerdings wenig zu tun. Es ist kein kommunales und auch kein nationales Problem, dies gilt global. Man sieht es doch auch an den in die Höhe schnellenden Arbeitslosenzahlen in England und in den USA. Deutschland kommt noch relativ glimpflich davon, weil wir das Instrument Kurzarbeitergeld haben, was es in vielen Ländern nicht gibt.“
 
Was kann getan werden, dass die Schuldenlast nicht von den Bürgern getragen werden muss?

Martin Ernst: „Jeder Haushalt muss auch vom jeweiligen Regierungspräsidium abgesegnet werden. Schuldenaufnahme ist allerdings nur für Investitionen möglich. Wenn Schulden für andere Zwecke aufgenommen werden, muss das Geld binnen von drei Jahren vollumfänglich zurückgeführt sein. Wie dies geschehen soll, ist dem Kämmerer und auch mir ein Rätsel. Die Stadt wird mit großer Sicherheit eine Haushaltssperre erlassen müssen. Bei der Erhöhung von Gebühren, Steuern und sonstigen Verpflichtungen wird die FBB aber unter keinen Umständen mitspielen.“
 
Baden-Baden ist eine Stadt mit vielen Millionären. Wäre es denkbar, einen Spenden-Rundruf zu starten, um weitere Kredite zu verhindern? 

Martin Ernst: „Millionär wird man nicht durch Geld ausgeben, sondern durch Geld einnehmen und durch striktes Sparen. Gerade dieses Klientel hat mit Argusaugen die Schuldenpolitik der Stadt verfolgt. Diese Kreise stopfen nicht gern Löcher, sind aber bereit, zukunftsorientierte Projekte zu unterstützen. Dazu müssten wir seitens der Stadt erst durch Taten zeigen, dass wir gewillt sind, die Schulden in unserer Generation zu erledigen und nicht an unsere Kinder weiterzureichen.“

Foto: Ben Becher