Welterbe-Zentrum: Ein Förderverein muss her!

18November
2022

Am vergangenen Montag besuchten Prof. Dr. Heinrich Liesen und Wolfgang Niedermeyer eine Veranstaltung der IHK im Palais Biron. Anlass war der Vortrag von Klaus Stieringer, Stadtmarketing-Chef von Bamberg. Seine Erfahrungen belegen: Baden-Baden lässt sein Potenzial verkümmern. Das muss sich ändern.

Das Stadtmarketing von Bamberg ist mehrfach ausgezeichnet worden. Heinrich Liesen und Wolfgang Niedermeyer erlebten einen Abend, der sie kämpferisch stimmte. Denn die Neuheit, die sie erfuhren, hatte es in sich. „Geladen ins Palais Biron waren übrigens alle Fraktionen. SPD und FDP glänzten durch Abwesenheit. Anwesend waren Unternehmer wie Franz Bernhard Wagener, Thomas Schindler, Direktor vom Casino, Henning Matthiesen vom Brenners, Vertreter der Baden-Baden Tourismus und weitere Gäste“, so Heinrich Liesen.

Der Paukenschlag

„Der Abend begann mit einem Paukenschlag: Burkhard Freyberg, Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaftsförderung und Tourismus der IHK und Organisator dieser Sitzung, bat Moritz Grenke, Spross des Unternehmers Wolfgang Grenkes (Grenke Gruppe) zu einer kurzen Präsentation. Dieser erklärte: Die Grenke-Stiftung habe der Stadt bereits vor rund einem Jahr für das Besucherzentrum zum Weltkulturerbe die Immobilie LA8, einschließlich Tagungssälen und Gastronomie, mietfrei angeboten. Bis heute gebe es allerdings keine Entscheidung.“

Ein großzügiges Angebot

Auch die adäquate moderne Umgestaltung würde wohl zum großen Teil von der Stiftung getragen. Dafür habe sich Herr Grenke bereits bei einem Stuttgarter Unternehmen beraten lassen, das weltweit Besucherzentren und Museen gestalte und einrichte. „Der Vortrag des Experten aus Bamberg war super, auch um die Leerstände in der Stadt zu beheben. Leerstände seien ein Zeichen, dass die Stadt krank sei“, so Heinrich Liesen.

Wo ist der Managementplan?

„Im persönlichen Gespräch anschließend bei Häppchen und Wein wurde die Gründung eines Vereins – unabhängig von der Stadt – als Träger auch des Stadtmarketing diskutiert. Der Stadtmarketing-Experte Klaus Stieringer aus Bamberg wollte vor allem zeigen, wie das Weltkulturerbe kommerziell zu nutzen ist. Er stellte in diesem Zusammenhang einen breit aufgestellten Managementplan, der Zivilgesellschaft sowie Wirtschafts- und Kulturplayer mit einbezieht, besonders in den Vordergrund.

Bamberg floriert. Und Baden-Baden?

Klaus Stieringer betrachtet das Welterbe als eine Einladung, eine Tür, durch die die Stadt gehen muss“, fährt Heinrich Liesen fort. „Rhetorisch fragte er: Wie lange hält eine Stadt durch ohne professionelles Marketing? Bamberg hat 80.000 Einwohner. Acht hauptamtliche Mitarbeiter im Marketing. Das wird getragen durch einen Verein von 300 Unternehmen. Der Etat beträgt drei Millionen Euro im Jahr. Bamberg sei äußerst erfolgreich. Der Handel floriere, man locke Besucher auch schon mal mit Freibier in die Stadt. Diese generiert mit Tourismus 350 Millionen Euro Umsatz im Jahr.“

Schon die Kleinsten fürs Welterbe sensibilisieren

Noch ein weiterer Aspekt sei wichtig, um das Welterbe zu stärken: der Faktor Bildung. Das Welterbe zur Identifikationsfindung sei bereits in Kitas und Schulen ein Thema. Ein Besucherzentrum sei wichtig für die eigene Bevölkerung, aber auch als Anlaufstelle zur Lenkung der Besucherströme.

Die ganze Stadt eine Bühne

Der öffentliche Raum müsse weiterhin als Bühne für die Jugend genutzt werden. Man müsse die Stadt mit Emotionen füllen, um eine Identität zu schaffen. Der Welterbe-Titel sei eine große Chance.

Festivals, auch in der Winterzeit

Bamberg sei ständig aktiv, um die Stadt zu beleben. In den ruhigen Wintermonaten zu Anfang des Jahres werde über zwei Wochen ein Literaturfestival durchgeführt, Nobelpreisträger eingeladen, an zehn Plätzen der Stadt passiere dann etwas.
Dann gibt es Familientage, ein Weinfest, Spielefest, ein Blues- und Jazzfestival – finanziert durch Wirtschaftspartner, sodass keine Eintrittspreise erhoben werden müssen. Und es gebe Einkaufsgutscheine von allen Geschäften.

Jungen Menschen etwas bieten

Wichtig: Man müsse mit dem Welterbe das verbinden, was andere nicht bieten können.
Und auch junge Menschen für die Stadt begeistern und für sie etwa einen eigenen Campus entwickeln, wo man arbeiten, wohnen und leben kann.

Kreative Politik? Fehlanzeige!

Klaus Stieringers traurige Erkenntnis: Die Politik störe und verhindere gar eine gute Stadtentwicklung. Da sie in der Regel nicht kreativ sei. Bitter empfand er den Laden-Leerstand in der Kurstadt. Und riet, mindestens schöne Plakate in den Schaufenstern aufzuhängen bis zur Wiedervermietung. Man könne die Räume auch Künstlern oder Start-ups anbieten, die dann nur die Nebenkosten zu tragen hätten. Sein Resümee: „Laden-Leerstände sind wie ein metastasierender Tumor.“

Ein Verein muss her

Heinrich Liesen freut sich über eine Idee, die unsere Stadt aus der Lethargie erwecken könnte. „Es wurden auch Pläne besprochen, dass man einen Verein gründen sollte, um das Stadtmarketing zu fördern. Denn die IHK ist sichtlich enttäuscht, dass die Stadtverwaltung in Baden-Baden nicht handelt, um das Welterbe-Potenzial bereits jetzt zu nutzen.“ Traurig, aber wahr: Es fehlt – an einer Vision.

Kritik an der Verwaltung

Wolfgang Niedermeyer findet hier klare Worte: „Unsere Stadt ist in vielen Bereichen nicht in der Lage, qualifiziertes Personal anzulocken. Es scheint der gute Ruf zu fehlen. Für Spitzenleute bietet die Verwaltung offensichtlich überhaupt keinen Anreiz zu bleiben. Es muss über die Zivilträger gehen und über engagierte Hoteliers, Künstler, Gastronomen, Wirtschaftsvertreter, Bürger. Es muss ein erfahrener Leistungsträger sein, der das Stadtmarketing neu aufstellt. All das fehlt. Gott sei Dank haben wir Unternehmen hier, die etwas leisten. Ich habe im Internet nach dem Managementplan der Stadt Baden-Baden gesucht, ihn aber nicht gefunden. Er ist also nicht öffentlich zugänglich. Darüber müssen wir nachdenken. Wir sollten diesen Managementplan einmal anfordern. Darin könnte um das Einbinden der Zivilgesellschaft gehen. Ich denke, wir brauchen einen Welterbe-Verein oder Förderverein. Hier könnten Leute sitzen, die sich einbringen wollen. Man könnte sich auch zusätzlich einen Welteberbeauftragten im Gemeinderat vorstellen oder ein Kuratorium.“