„Der Tourismus macht die Stadt auch für die Bürger attraktiver“

05Juli
2019

Teure Bratwurst und ein Tourismus-Konzept, das sie angeblich im Alleingang gemacht hätte: Im Interview erklärt Nora Waggershauser Hintergründe.

Das Bratwurst-Thema bei den Sommernächten hat für reichlich Ärger gesorgt. Denn die Gäste wünschen sich, wie man lesen kann, auch mal eine bezahlbare Wurst. Wieso musste jetzt ein Koch von außerhalb kommen? Gab es niemanden in BAD, der in der Lage war, die Wurst von Herrn Schindler zu ersetzen?

Nora Waggershauser: „Alle Bratwurstfans werden auch weiterhin auf den Sommernächten voll auf ihre Kosten kommen. Das Schloss Eberstein bietet die gleiche Wurstqualität zum gleichen Preis wie die vom Gasthaus Auerhahn an. Als Gastronom auf den Open Airs mitzuwirken, ist mit einem hohen, vor allem personellen Aufwand, verbunden. Die gesamte Branche sucht händeringend Personal. Wir haben alle Gastronomen mit größeren Betrieben in Baden-Baden aktiv angesprochen, über 30 Gespräche geführt und schließlich, um niemanden zu vergessen, nochmals über den DeHoGa-Verband aufgerufen, dass sich interessierte Gastronomen melden. Leider hat sich kein Baden-Badener Gastronom in der Lage gesehen, diese große Besucheranzahl zu den Sommernächten bewirten zu können.

Wir sind dann aktiv auf den Gastronomen Schloss Eberstein zugegangen, da wir wissen, dass dieser Betrieb solch große Veranstaltungen verlässlich bewirten kann, über große Erfahrung verfügt und auch entsprechend mit Equipment ausgestattet ist. Wir führen derzeit erneut Gespräche mit Baden-Badener Gastronomen zum Mitwirken beim Kurpark-Meeting Ende August. Wir würden uns freuen, wenn sich hier mit etwas mehr Vorlauf eine Möglichkeit der Zusammenarbeit mit einem Baden-Badener Gastronom ergeben würde.“

Seitens der Grünen gab es Vorwürfe, das Good-good-Life-Konzept hätten Sie im Alleingang durchgewunken. Wie lange gibt es das, woher stammt die Unzufriedenheit damit und was will das Konzept?

Nora Waggershauser: „Ich bin nun seit drei Jahren im Amt als Geschäftsführerin der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH. Ein großer Wunsch war gleich zu Beginn meiner Tätigkeit von den touristischen Akteuren in der Stadt, dass wir unserem Tourismusmarketing wieder einmal ein neues Layout und eine neue Bildsprache entwickeln, da sich die Leistungsträger mit ihren Angeboten in Baden-Baden gerade in den vergangenen drei Jahren stark weiterentwickelt haben. An unseren touristischen Zielgruppen und Marktauftritten hat sich nichts geändert – wir setzen nach wie vor auf bildungs- und einkommensstarke Gäste aus der ganzen Welt. Wenn wir dies nicht tun würden, hätten wir schon längst einen Massentourismus in Baden-Baden, welchen sowohl die Bürger als auch unsere Übernachtungsgäste nicht möchten. Diese Wünsche der Bürger und Übernachtungsgäste sind nämlich im Wesentlichen deckungsgleich.

Das Marketingkonzept mit dem Slogan The ,good-good life.’ vermarktet Baden-Baden als Stadt einer einzigartigen Lebenskultur mit vielen Facetten auf hohem Niveau: Kultur, Genuss, Natur, Gesundheit, Kongress und so weiter. Natürlich leben hier Bürger mit unterschiedlichem sozialem Niveau – aber das spielt im Marketing nach außen keine Rolle. Jeder Stadt wirbt mit Ihren Vorzügen.

Bei der Erstellung des Marketingkonzepts haben sich auch die Gesellschafter der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH alle aktiv und persönlich mit eingebracht, da diese zum Großteil auch selbst touristische Unternehmen betreiben und wir alle gemeinsam die gleiche Sprache nach außen für unsere Gäste sprechen möchten. Wir haben das Konzept also sehr bewusst von Beginn an auf breite Beine mit dem Festspielhaus, dem Casino, der Hotellerie und Gastronomie, den Kliniken und dem Einzelhandel gestellt und im Anschluss dem Gemeinderat präsentiert.

Die touristischen Akteure sind seit der ersten Stunde begeistert und arbeiten aktiv mit der Marke, welche bereits eine Strahlkraft entwickelt hat, was weltweit medial selbst unsere Erwartungen übertroffen hat. Unser Marketing spricht in Wort und Bild auch eine jüngere Zielgruppe an, welche als Gästenachwuchs für Baden-Baden sehr wichtig ist. Man mag über das ein oder andere geteilter Meinung sein – es geht bei dem touristischen Marketing nicht darum, die Bürger in der eigenen Stadt anzusprechen, sondern „der Köder muß bekanntlich dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“.

Baden-Baden bietet nur was für ältere, betuchte Gäste, so der Vorwurf vieler jüngerer Bürger. Was wollen Sie künftig für die unter 20-, 30-, 40-, 50-jährigen Bürger tun? 

Nora Waggershauser: „Unsere Aktivitäten liegen mit einem sehr kleinen Team und einem überschaubaren Marketingbudget auf dem touristischen Sektor. Baden-Baden lebt seit Jahrhunderten von einem funktionierenden Tourismus, welcher die Zukunft unserer Institutionen wie Festspielhaus, Museen, Casino, Thermalbäder, Hotels und so weiter sichern muss, ebenso wie die damit verbundenen zahlreichen Arbeitsplätze. 

Wir als Bürger der Stadt profitieren in erheblichem Maße von der Vielfalt an herausragenden Institutionen in unserer Stadt und auch von einem sehr gepflegten Stadtbild mit den prächtigsten Park- und Gartenanlagen. Wir sind mit der Baden-Baden Kur & Tourismus eine reine Marketing GmbH und können weder finanziell noch personell infrastrukturelle Aufgaben in der Stadt übernehmen. Unsere Finanziers, unsere Gesellschafter, sind zu einem großen Teil die touristischen Institutionen, welche es vorrangig zu bewerben gilt: Casino, Festspielhaus, Hotellerie, Kliniken und so weiter.

Das Schöne am Tourismus ist jedoch, dass er die Stadt nicht nur für Gäste, sondern zugleich auch für Bürger attraktiver macht, welche die Stadt das ganze Jahr genießen können. Es gibt also viele Parallelen: Denken wir an die Philharmonische Parknacht, oder den Christkindelsmarkt, der Übernachtungsgäste aus aller Welt ebenso wie regionale Besucher und Bürger jährlich anzieht.

Ein neues Veranstaltungsformat der Baden-Baden Events GmbH ist ,Die Beste Nacht –ein Akt zwei Shows’ für ein Zielpublikum Mitte 20 - hier profitieren ebenso die Jugendlichen in unserer Stadt genauso wie das Zielpublikum aus dem Sendekreis unseres Kooperationspartners SWR Die Jugendwelle ,Das Ding’.

Auch wenn ich in meiner Funktion als Tourismus-Geschäftsführerin mit meinem Team in erster Linie für das Interesse der Touristen verantwortlich bin, freuen wir uns natürlich am meisten, wenn wir das eine mit dem anderen verbinden können und damit tolle Erlebnisse für alle schaffen, Begegnungsstätten für Gäste und Bürger.“

Welche konkreten Pläne gibt es Ihrerseits, um die Stadt in Sachen Shopping, Events und so weiter zu beleben?

Nora Waggershauser: „Die Baden-Baden Events GmbH erhält öffentliche Mittel vom Land, um ein attraktives Veranstaltungsangebot im Kurhaus zu bieten, welches durch seine Strahlkraft potentielle Übernachtungsgäste in unsere Stadt zieht. Auch hier geht es nicht primär um Stadt- oder Weinfeste, sondern um einen Kulturauftrag mit beispielsweise hochklassigem musikalischem oder tänzerischem Angebot. Im Sommer sind unsere Open Airs vor dem Kurhaus ein Garant für steigende Übernachtungszahlen – auch hier profitiert parallel der Bürger oder auch Gäste aus der Region, welche wiederum den örtlichen Handel stärken. Die Veranstaltungen kosten im Übrigen keinen Eintritt.“

Foto: Copyright "Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH"