„Es fehlt ein Seniorenrat“
30September
2024
Im Mai lernte Cornelia Mangelsdorf, FBB, Gisela Maier kennen. Die rüstige Rentnerin beklagt, dass die Stimmen der Senioren in Baden-Baden kaum gehört werden. Sie fordert einen Seniorenrat.
Was tut ein Seniorenrat? Er berät ältere Menschen. Die Tätigkeiten sind sehr vielseitig. „Wichtig ist ein Seniorentelefon, das ein- bis zweimal wöchentlich für Anrufe bereitsteht und Fragen jeglicher Art beantworten kann – nicht nur zu Fragen, die die Pflege betreffen oder zu Pflegeheimen oder betreutem Wohnen, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, sondern auch zu Zusammenkünften, Freizeitgestaltung, Gesprächsrunden. Ein Seniorenrat berät auch, was zu tun ist, wenn die Rente nicht reicht. Ein sehr wichtiger Punkt ist auch: Computer, Internet, Handy, Smartphone. Wer kann da helfen? Gibt es spezielle Lehrgänge für Senioren? Auch Vorträge zu aktuellen Problemen wären angebracht, wie z.B. betrügerische Anrufe – oder wie man zu einem Schwerbehindertenausweis kommt“, beschreibt Gisela Maier, die in Lichtental lebt.
Nichts bewegt sich
Vor zwei Jahren hat sie Bürgermeister Roland Kaiser angesprochen und ihn gebeten, sich um einen Seniorenrat zu kümmern. Doch bislang ist nichts geschehen. Das kann Gisela Maier nicht nachvollziehen. „Ich war rund 20 Jahre im Seniorenverband Öffentlicher Dienst Baden-Württemberg/Ortsverband Baden-Baden – Bühl – Achern tätig. Nachdem der Vorsitzende aus Bühl schwer erkrankte und verstarb, war Bedarf gegeben. Er hatte sich um die Belange der Senioren gekümmert, nicht nur um die der Mitglieder, und Kurse in verschiedenen technischen Gebieten gegeben.“ Der Vorsitzende hat eine Lücke hinterlassen, die bislang niemand schließen wollte. Doch der Bedarf ist groß.
Vorbilder in der Region
Gisela Maier kann nicht nachvollziehen, warum eine Stadt wie Baden-Baden es nicht hinbekommt, einen Seniorenrat zu berufen. Immerhin leben in der Kurstadt rund 15.200 Senioren ab 65 Jahren, bei einer Gesamt-Einwohnerzahl von rund 58.000 Personen. „Rastatt hat einen Kreisseniorenrat. Bühl, Sinzheim und sogar Muggensturm haben einen Seniorenrat, warum Baden-Baden nicht? In Bühl gibt es ein Seniorentelefon, das zwei bis dreimal pro Woche Sprechstunden abhält, darüber hinaus gibt es einmal monatlich Sprechstunden im Rathaus und eine sogenannte Plauderkiste. Der Seniorenrat in Bühl besteht nicht aus einer einzelnen Person, es sind mittlerweile 13 ehrenamtliche Helfer.“ Das findet sie vorbildlich.
Keine Lobby für Senioren?
Gisela Maier hat sich auch an die Verwaltungsspitze gewandt. „Vor rund einem Jahr habe ich auch den OB Dietmar Späth angesprochen. Aber der Sozialausschuss im Gemeinderat war der Meinung, Baden-Badener Senioren brauchen keinen Seniorenrat, mit dem Argument, es gäbe genügend Angebote für Senioren. Das stimmt tatsächlich. Aber woher wissen Senioren denn, wohin man sich wendet??? Da ich selbst 35 Jahre im Öffentlichen Dienst tätig war und weitere 20 Jahre Behördengänge für Italiener gemacht habe, kann ich mit Fug und Recht behaupten, ich kenne mich mit Behörden aus. Aber auch ich habe da so manchmal meine Schwierigkeiten mit Ämtern.“
In der Stadt bekommen Senioren oft keine kompetente Auskunft
Und sie nennt zwei Beispiele: „Nachdem ,Hilver‘ ins Leben gerufen wurde, habe ich mir einige Formulare geben lassen, um diese an mir bekannte Senioren weiterzugeben. Nach rund fünf Wochen brauchte ich Nachschub. Im Bürgerbüro fand ich nichts. Die Dame an der Information sagte mir, wenn nichts mehr da sei, solle ich mich an die Organisation wenden, die das veranstaltet. Sie schaute mich mit großen Augen an, als ich sagte, die Organisatorin der Helfer-Plattform ,Hilver‘ sei die Stadt selbst! Schon schön, wenn der Bürger die Information informieren muss, was die Stadt so macht“, grinst Gisela Maier. Zum Glück gibt es nun eine kompetente Person an der Information, wie sie sagt.
Ahnungsloses Personal
Und weiter: „Nur durch Zufall hatte ich erfahren, dass es 2023 wieder eine Seniorenweihnacht geben sollte. Ich wollte wissen, wen der OB damit beauftragt hatte, da ich der Person eine Frage stellen wollte. Da der OB die Sache Seniorenrat an den Ehrenamtsbeauftragten weitergegeben hatte, fragte ich eben diesen. Er wusste jedoch nichts von der Seniorenweihnacht. Und verwies mich an eine Dame im Sozialamt. Diese sagte mir, sie würde sich darum kümmern. Nach einer Woche hieß es, sie hätte leider nichts ausfindig machen können. Auch da konnte ich weiterhelfen. Von der Caritas hatte ich inzwischen alle Antworten erhalten.“
„Das kann doch nicht wahr sein!“
Gisela Maier versteht es nicht: „Erst muss eine Seniorin anrufen und dem ,Automaten‘ erklären, um was es sich handelt. Falls sie nicht gleich frustriert auflegt, kommt sie irgendwo an. Ist sie an der richtigen Stelle? Recht selten! Sie wird weitervermittelt und gibt bei der dritten Stelle frustriert auf. Entweder war die Person nicht zuständig oder nicht informiert, oder es war das falsche Referat. Das kann doch nicht wahr sein!“
Seniorenräte in alle Gemeinden!
Mit ihrer Forderung nach einem Seniorenrat ist Gisela Maier nicht allein. Auch erfahrene Staatsmänner sehen hier Bedarf. So forderte der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bereits, Seniorenbeiräte in allen Kommunen einzusetzen, die an Gemeinderatssitzungen teilnehmen oder wenigstens regelmäßig gehört werden. Mit Anträgen könnten sie auf ihre alltäglichen Probleme hinweisen und so die Beratung erhalten, die sie benötigen.
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Foto: Tommy Schindler