Die Altersarmut geht um

12Oktober
2021

45 Jahre erwerbstätig – und trotzdem fällt die Rente mau aus: Das schon lange beschworene Problem Altersarmut wird immer mehr spürbar, auch in unserer Stadt der Millionäre.

Es sind bei weitem nicht nur Langzeitarbeitslose, die im Rentenalter jeden Cent umdrehen müssen beziehungsweise auf weitere Unterstützung angewiesen sind: Auch Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, kommen oft nicht mit ihrem Altersruhegeld hin. Das ist auch in Mittelbaden der Fall. So sind fast 9.000 Vollzeitkräfte, die in der Gastronomie oder Hotellerie arbeiten, laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten im Landkreis Rastatt und Stadtkreis Baden-Baden selbst nach 45 Jahren Arbeit von Altersarmut bedroht, wie BT-Redakteur Tobias Symanski ermittelte. Das Problem der Betroffenen ist das geringe Brutto-Gehalt in der Erwerbszeit, das bei rund 12 Prozent der in der Gastronomie Beschäftigten unter 2.050 Euro im Monat liegt. Geld zurücklegen bei einem schmalen Gehalt – kaum denkbar, wenn man sich die aktuelle Erhöhung der Lebenshaltungskosten anschaut. Und: Länger arbeiten als 45 Jahre ist nur jenen gegeben, die sich einer robusten Gesundheit erfreuen. Die Folgen im Alter: Es müssen staatliche Hilfen beantragt werden, weil die Grundsicherungsgrenze von 835 Euro unterschritten wird.

Vor allem Frauen müssen Grundsicherung beantragen

Immer mehr Menschen sind von Altersarmut bedroht, deutschlandweit. Ende 2020 waren laut ARD so viele Senioren auf die Leistung angewiesen wie noch nie: Mehr als 564.000 Menschen in Deutschland haben Ende 2020 Grundsicherung erhalten. Das der höchste Stand seit der Einführung der Leistung im Jahr 2003. Frauen sind stärker betroffen als Männer. So erhielten laut Statistischem Bundesamt Ende 2020 knapp 315.000 Frauen und 249.000 Männer die Leistung. Rund 25 Prozent mehr Frauen als Männer mussten vergangenes Jahr Grundsicherung in Anspruch nehmen. Denn bei ihnen kommt in der Regel weniger Geld an: 2019 lag der durchschnittliche Zahlbetrag der gesetzlichen Altersrente in Deutschland bei 1.266 Euro im Monat für Männer und 792 Euro für Frauen.

Das Rentenniveau muss steigen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung macht für diesen Zuwachs an Armut im Alter die vergangenen Rentenreformen verantwortlich. Es fordert von der kommenden Regierung ein Anheben des Rentenniveaus, um dem weiteren Ansteigen von Altersarmut Einhalt zu gebieten. Höhere Löhne, etwa in Bereichen wie der Gastronomie, dürften ebenfalls helfen: Für einen Rentenbeitrag, der höher als der Grundsicherungsbeitrag ist, müsste der Stundenlohn bei voller Arbeitszeit mindestens 12,21 Euro betragen. Viele Servicekräfte verdienen aber weniger. Eine Veränderung zur Verbesserung der Rente bei kleinen Gehältern wurde 2021 verabschiedet: Vergangenes Jahr wurde die Grundrente eingeführt, die der Altersarmut den Kampf ansagen soll. Und wenn der Mindestlohn von 12 Euro von der kommenden Regierung verabschiedet wird, könnte das auf lange Sicht helfen, Altersarmut vorzubeugen – auch, wenn so mancher Arbeitgeber schlucken wird.

Bild: unsplash.com_alex robert/Ben Becher