Der schwierige Weg, allen gerecht zu werden

13November
2023

Die Stadtverwaltung Baden-Baden hat Flüchtlinge im Schwarzwaldwohnstift untergebracht und wollte dort noch mehr Wohnungen anmieten. Doch dieser Plan sorgt für Unruhe.

Es ist ein schwieriges Unterfangen: Die Stadtverwaltung benötigt weiteren Wohnraum für geflüchtete Menschen und auch für Familien, die kurzfristig wohnungslos geworden sind. Für die Verantwortlichen der Stadt bedeutet dies oftmals, gegen große Widerstände anzukämpfen – aktuell hagelt es Kritik aus der Bevölkerung. Gleichzeitig duldet die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Not keinen Aufschub.

Widerstände gegen Container-Unterkünfte

Vor ein paar Tagen hatten die Ortschaftsräte in Sandweier und im Rebland geplante Container-Unterkünfte für Flüchtlinge abgelehnt. Die Stadt solle vielmehr prüfen, ob nicht einige leerstehende Gebäude angemietet werden könnten. Der 2. Bürgermeister Roland Kaiser hat das Thema Flüchtlingsunterkünfte nun erst einmal von der Tagesordnung des Sozialausschusses genommen. Ob darüber im Gemeinderat am 27. November gesprochen werden soll, gilt als unwahrscheinlich. Die Stadt wolle die Anregungen, die bei den Sitzungen der Ortschaftsräte geäußert worden seien, nun erst einmal prüfen. Die Zeit drängt allerdings: Denn die letzten freien Plätze in Flüchtlingsunterkünften könnten laut Stadtverwaltung voraussichtlich im Dezember oder Januar belegt sein. Baden-Baden will bislang keine Sporthallen mit Flüchtlingen belegen. Anders geht Offenburg vor: Dort wurden bereits zwei Messehallen als Unterkünfte umfunktioniert.

Verunsicherung bei den Senioren im Schwarzwaldwohnstift

Auch die Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen in einem Teil des Schwarzwaldwohnstifts erhitzt die Gemüter. In einem Flügel des Gebäudes leben Senioren – im anderen Teil der Immobilie Flüchtlinge. Von 20 durch die Stadt angemietete Wohnungen ist die Rede und es sollen noch mehr werden. Geplant war, 2024 etwa 60 weitere Flüchtlinge dort unterzubringen. Die betreffenden Wohnungen wurden der Stadt von der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) angeboten, nachdem der Betreiber des Pflegeangebotes bereits im Jahr 2021 gekündigt hatte.

Räumungsaufforderungen für Senioren

Vergangene Woche wurde dann aber bekannt, dass es Räumungsaufforderungen gab für Senioren. Hintergrund ist eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen der WEG und dem Betreiber des Wohnstifts. Die Stadt Baden-Baden, so heißt es in einer Presseerklärung, sei an dieser Auseinandersetzung nicht beteiligt. Die Aufforderungen sollen ohne Kenntnis der Stadt an die Bewohner versendet worden sein. Es sei selbstverständlich nicht im Interesse der Stadt, dass Bewohner ihre Wohnungen räumen und diese Wohnungen dann der Stadt zur Verfügung gestellt werden.

„Kein Herz“

Dennoch sorgt das Thema für Unsicherheit bei Senioren, nicht nur im Schwarzwaldwohnstift. Ein Bürger hat am Freitag seiner Enttäuschung Luft gemacht. Er habe eine Einladung von OB Späth zur Weihnachtsfeier am 7. Dezember im Kurhaus erhalten. Und schrieb in einem Leserbrief an das BT: „Es ist nicht nur für mich völlig unverständlich, wie eine Stadtverwaltung mit einem sich volksnah gebenden Oberbürgermeister an der Spitze, diese Angelegenheit sehenden Auges über eine lange Zeit hinweg offensichtlich schleifen ließ und keine Mittel und Wege gefunden hat, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass … Existenzängste möglichst gar nicht erst entstehen und sich steigern konnten und nicht vielmehr in aller Deutlichkeit den alten, Hilfe suchenden Menschen angemessen beigestanden wird.“ Über die Verwaltung fällt er ein hartes Urteil: „Sie hat kein Herz.“ Deshalb hat der Leser auch die Einladung des Oberbürgermeisters nicht angenommen.

Einerseits Entwarnung…

Unterdessen hat die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nun versichert, die verbleibenden Senioren im Schwarzwaldwohnstift könnten in den Wohnungen bleiben. Und die Stadt stellte klar: Seit Bekanntwerden der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen WEG und dem Betreiber des Wohnstifts hat die Stadt keine weiteren Anmietungen mehr vorgenommen. Bis zur abschließenden Klärung der Auseinandersetzung und des Verbliebs der Bewohner werde sie auch keine weiteren Wohnungen anmieten.

Andererseits geht der Streit weiter

Wie jetzt bekannt wurde, setzt sich eine Gruppe von Wohnungseigentümern im Seniorenwohnstift dafür ein, dass auch die bereits an Flüchtlinge und Wohnungslose vermieteten Wohnungen zurück an Senioren gehen. Der Streit schwelt also weiter. Es bleibt zu hoffen, dass bald eine Lösung auf den Tisch kommt: eine, die die verunsicherten alten Menschen wieder Vertrauen fassen lässt und gleichzeitig geflüchtete Menschen einen Platz in unserer Stadt finden lässt.

Foto: Tommy Schindler